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Herr Krit interviewt Blogger und Netzleute

„Zwischen Feinripp und Spüli“

Onnos Weblog filapper existiert seit Januar 2004. Onno berichtet – oft auch gerne mit eigenen Fotos – über das Naturgeschehen und Leben an der Küste Ostfrieslands und hat ab und zu auch seine Meinung und Links zu politischen und netzpolitischen Themen. Onno habe ich über die Bloggerei kennengelernt. Und er hatte Verena und mich im Mai 2004 zu einer Wattwanderung nach Norderney eingeladen, die sehr schön war.

Herr Krit: Wie hast Du das Bloggen entdeckt und was hat Dich angetrieben, ein eigenes Weblog aufzumachen?

Onno: Angefangen hat das im Grunde mit dem Gedanken, Photos über das Internet „teilen“ zu können. Dadurch ist jassesnee entstanden, ein paar statische Seiten, ein paar Bilder und zugleich eine Spielwiese für Codeübungen. Der Name der Domain ergab sich übrigens spontan beim Suchen nach einer freien Domain; dies probiert – wech, jenes probiert – wech. „Jassesnee, alle Domains schon weg?“ ;-)

Der Antrieb wuchs, nachdem ich im Sommer 03 Grey Expectations von Noah Grey sah, der dort täglich ein Photo ins Netz stellt. Aber was heißt schon wachsen, ‚irgendetwas wuchs‘ müßte ich sagen, denn es dauerte noch bis zum Herbst, bis ich überhaupt einigermaßen wußte, was die Bezeichnung „Weblog“ bedeutet. Nachdem ich etwas darüber gelernt hatte, war ich zunehmend fasziniert von den Möglichkeiten eines Weblogs. Bilder einstellen, subjektiv und ohne zertifizierte Kontrolle irgendeinen Schmarrn erzählen ;-), Links wiederfinden die einem wichtig sind und das Ganze auch noch mit der Möglichkeit, Kommentare zu hinterlassen. Der Unterschied zu statischen Seiten weckte bei mir das Herz und die Seele – lebendig eben, und dies ist für mich heute noch genauso faszinierend an der Bloggerei.

Ach ja, Dein altes silog spielte auch irgendeine Rolle! :-)

Herr Krit: Und was bedeutet der Name Deines Weblogs: filapper?

Onno: filapper ist der plattdeutsche Ausdruck für den Schmetterling (frz.: phalène – Nachtfalter). Ich liebe dieses Wort schon lange, es hat eine wunderbare Melodie, zudem schien mir die Metamorphose des filappers im übertragenen Sinn sehr geeignet für mein Weblog. Wandlung und gaukelnder Flug, Ziele und Inhalte nicht zielstrebig und keinem Korsett unterworfen, dann kann ich mit Lust „Funblogger“ sein.

Darüber, wie ich zu meinen Inhalten komme, habe ich mir noch gar keine großen Gedanken gemacht.

filapper übrigens deshalb immer kleingeschrieben, weil es einfach schöner aussieht. Test: Filapper. Siehst Du?! Sieht viel strenger und krawattenmäßig aus!

Herr Krit: Ich wollte filapper in meinem Einleitungstext erst groß schreiben. ;-) Nun, dann hatte ich ja den richtigen Riecher, und den Respekt, weil ich mir dachte, dass Du die Kleinschreibung bewusst so gewählt hast. –
„Ziele und Inhalte nicht zielstrebig“, schreibst Du. Wie kommst Du zu Deinen Inhalten und hast Du als Blogger Ziele, unausgesprochene, vage, allgemeine, konkrete oder eigentlich keine?

Onno: Danke! :-)

Darüber, wie ich zu meinen Inhalten komme, habe ich mir noch gar keine großen Gedanken gemacht. Wichtig ist, daß ein Bild oder ein Thema mich auf irgend eine Art berührt, bewegt, erheitert oder aufregt, um den Weg ins Weblog zu finden.

Doch, Ziele habe ich schon, passend zu meiner Körpergröße sind sie allerdings nicht sehr hoch aufgehängt, mehr so zwischen Feinripp und Spüli zu finden. Ich hasse Beiträge um der Beiträge willen. Und ich freue mich, wenn es mir gelingt, anderen etwas zum nachdenken, beschäftigen oder zum schön finden geben zu können. Und ich sehe bloggen als Luxus an, es ist angenehm, aber kein „must have“ im Leben. Wenn diese Beschäftigung einen Raum und ein Gewicht einnimmt, welches ich als unangemessen empfinde, dann gibt es wieder eine Pause.

Herr Krit: Was denkt denn Deine Familie über diesen Luxus?

Onno: Oh, da habe ich großes Glück! Sie freut und leidet (z. B. wg. Spam) mit mir, kurzum: ich habe großen Rückhalt.

Herr Krit: Mit der Zeit wächst ja um jedes Weblog mit längerem Atem eine kleine bis große Community. Lesen Dein Weblog auch Leute, Bekannte, Freunde aus der Region, in der Du lebst?

Onno: Ja. Einmal diejenigen, die dem Wasser auch in irgendeiner Form zugetan sind und ferner Familie im weitesten Sinne. Ganz besonders freue ich mich über meine Tante in Schweden, die schon ordentlich in den Siebzigern und erst vor 2 Jahren mit dem Netz begonnen, sogar einen Kommentar in filapper hinterließ (Hut ab!).

Herr Krit: Cool :-) – Arbeitest Du auch in anderen Zusammenhängen im Internet?

Onno: Aber klar, die Bloggerei ist ja nur ein kleiner Schnipsel der Möglichkeiten im Netz. Es bietet eine unendliche Plattform als Zugang für Informationen, sei es per Newsletter, eBook, Mailinglisten und nicht zuletzt Weblogs.

Dann beschäftige ich mich noch mit der Webcoderei, zu der ich nur gekommen bin, weil ich neugierig war, wie die Seiten im Netz denn funktionieren. Fünf Mark hat mein erstes Büchlein dazu gekostet. Dann gab es eine Zeit, in der ich das Pferd immer von hinten aufzäumen mußte, weil die Ideen meine fachlichen Möglichkeiten jeweils immens überstiegen. Als ich davon die Schnauze voll hatte, fing ich an Grundlagen zu pauken. Sehr geholfen hat mit da die CSS-Mailingliste von Michael Charlier. An diesem Punkt drängelt sich ein Dank in die Tastatur, der an all die Leute im Netz geht, die grundsätzlich von großer Hilfsbereitschaft sind, wenn man mal Tomaten vor den Augen hat oder es sonstwie klemmt.

An Projekten habe ich als Ehrenamt den Wattenrat „an der Backe“, der wird gerade von der alten Tabellenversion umgebaut auf eine aktuellere Version. Bei über 300 Dateien dauert das naturgemäß etwas, zumal ich beruflich i.d.R. 12 Stunden täglich anderweitig beschäftigt bin. Ein weiteres Projekt ist noch in Vorbereitung, ferner kommen als Auftragsarbeiten noch kleinere Photobestellungen dazu.

Herr Krit: 12 Stunden Arbeit und danach noch ehrenamtliches Webdesign? Da muss man aber für gebaut sein! Was ist Dein Beruf, wie sieht Dein Alltag aus?

Onno: Ich bin Bauer, gelernter Landwirtschaftsmeister und leite Betriebe für eine gewisse Zeit, deren Inhaber entweder krank, zur Kur oder verstorben sind. Ich wollte diese Arbeit ursprünglich nur für ca. 5 Jahre ausüben, um etwas Überblick zu bekommen und um mich dann selbstständig zu machen. Leider ging die wirtschaftliche Situation in der Landwirtschaft zu der Zeit schon steil bergab, so daß man als quasi nackter Kerl (ohne gut was in den Taschen zum anfangen) eine Pachtung eines Betriebes nicht mehr verantworten konnte, denn der Investitionsbedarf ist enorm. So sind mittlerweile 25 Jahre daraus geworden, auch wenn das ursprünglich nicht so geplant war. Meckern kann ich trotzdem nicht, ich sehe dem jeweils kommenden Arbeitstag immer noch mit Lust und Freude entgegen.

Ich sehe dem jeweils kommenden Arbeitstag immer noch mit Lust und Freude entgegen

Der Alltag beginnt meist um 6:00 Uhr, wenn es günstig läuft, bin ich gegen 18:00 Uhr wieder zu Hause (ausgenommen Erntezeiten, dann ist immer open end angesagt). Die Arbeit tagsüber ist völlig unterschiedlich und abhängig vom jeweiligen Betrieb. Viehhaltung der verschiedensten Art, Ackerbau, Ein- und Verkauf, Metallbearbeitung, alles aus der Maurer- und Tischlersparte und auch mal einen Rechner einrichten ;-). Oder tief in der Scheiße rühren, wenn z.B. mal ein Lager der Entmistung kaputt gegangen ist.

Zu Hause angekommen mag ich gern als Erstes in Ruhe einen frischen Kaffee trinken, dann kann der Abend kommen. Nach den häuslichen Regularien erwacht dann mein Rechner zum Leben, zuerst mit dem Mailprogramm. Mein Problem ist, daß ich einerseits gern früh aufstehe, aber auch ne Nachteule bin. So komme ich selten vor 23:30 ins Bett, oft auch erst nach der Geisterstunde. Macht nix, wer relaxt schläft, braucht nicht so lange! ;-)

Herr Krit: Aber manchmal läßt Du den Rechner auch länger schlafen, soweit ich weiss. Dann begibst Du Dich ins Watt und genießt die Natur. Geht das eigentlich immer noch – wie sag ich es – unbekümmert angesichts der unaufhaltsamen und gewaltigen Umweltzerstörung? Welche Umweltprobleme gibt es bei Euch an der ostfriesischen Küste und wie stehen die Bewohner dazu?

Onno: Nein, unbekümmert geht das nur mit einem dicken Bongossibrett vor dem Kopf. Aber zwischen unbekümmert und verzweifeln liegt ein weites Feld für „sich darum kümmern“. Vor vielen Jahren, als ich das Wattwandern vom Lehrer, Bildhauer und Querkopp Christian Eisbein noch lernte, waren die Probleme konkreter und direkter. Da leitete z.B. die Inselgemeinde Baltrum ihre Abwässer ungeklärt ins Wattenmeer, man mußte sprichwörtlich gut aufpassen wohin man trat, wenn man an der wattseitigen, meist vor sich hin qualmenden Müllkippe vorbei kam.

Heute sieht auf den ersten Blick alles viel sauberer aus im Wattenmeer, das täuscht allerdings in Anbetracht der tatsächlichen Belastung durch den vielfältigen Schadstoffeintrag von Kunststoffen, Waschmitteln und Kosmetika sowie Pestizide und Biozide. Seehunde, die am Ende der Nahrungskette stehen, müßten eigentlich im Todesfall als Sondermüll entsorgt werden. So hoch sind sie mit Substanzen belastet, die überwiegend aus den ca. 12.000 Chemikalien des europäischen Marktes stammen, oftmals ohne Prüfung auf mögliche Risiken für Mensch und Umwelt.

So wird Naturschutz eben, solange er keine Lobby hat, von Idioten, Spinnern und Geisteskranken gemacht.

Die Bewohner kümmern sich um solche Zusammenhänge in der Mehrzahl erst dann, wenn ein Problem sichtbar wird und konkrete Folgen hat. Schwarze Flecken im Watt oder das Seehundsterben 2002 etwa waren schon geeignet, die Buchungszahlen an der Küste zu drücken, dann geraten das Watt und seine Zusammenhänge in den Blickpunkt. Aber eben oft nur flüchtig und vorübergehend, das ist das eigentliche Problem. Das Wissen um die Zusammenhänge ist ja da, aber es ist kommerziell nicht zu verwerten. So wird Naturschutz eben, solange er keine Lobby hat, von Idioten, Spinnern und Geisteskranken gemacht.

Herr Krit: Und wie steht es um die Naturschutz-Aufklärung im Web und die Resonanz darauf? Kennst Du Weblogs, die sich explizit mit dem Thema beschäftigen?

Onno: Dieser Themenbereich ist im Netz immer noch unterbelichtet. Es gibt Ausnahmen, die sich oft um ein lokales Problem kümmern und dementsprechend auch nur lokal wahrgenommen werden. Das ist schade, denn heutzutage bräuchte der Trend, Naturschutz den Menschen als Sensationskatastrophe mit Fanfaren beizubringen, ein stärkeres Gegengewicht in Form von nachhaltigem Interesse und Respekt. Dieses kann aber nur wachsen, wenn der Kopf weiß, wie die Zusammenhänge wirken und das Herz fühlt, da ist etwas Schützenswertes.
Nein, ad hoc wüßte ich kein Weblog, welches sich ausschließlich diesem Thema widmet.

Herr Krit: Danke für das schöne Interview. Nun hast Du das letzte Wort. Fehlte ein Thema, liegt Dir etwas auf dem Herzen oder hast Du gar eine Antwort auf die Frage aller Fragen? ;-)

Onno: Oh, bitte! :-) Auf Deine letzte Frage…
TOWER: „Say position“ – PILOT: „Position“

28. Januar 2005 | archiv | |