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Herr Krit interviewt Blogger und Netzleute

Archiv: Februar 2005

24. Februar 2005

Mit Herz für eine klare Strategie

Marcus Völkel ist Usability-Spezialist und einer der Geschäftsführer der scoreberlin GmbH. Er betreibt seit Juni 2003 das Weblog Usability Inside. Dort veröffentlicht er nicht nur Artikel über Usability, sondern auch Anleitungen für mehr Sicherheit im Internet, offen ausgesprochene Mac-Vorlieben sowie diverse für das Webworking relevante Linkbesprechungen.

Herr Krit: Eines der kritischen und wichtigen Themen ist und bleibt Sicherheit im Internet, deren Relevanz für die private und geschäftliche Kommunikation kaum wahrgenommen oder gar nicht ernstgenommen wird. Teilst Du diesen Eindruck?

Marcus: Ja, den Eindruck teile ich. Im privaten Bereich begegnet man oft der Einstellung, seine Schuldigkeit mit der Installation eines Virenscanners oder gar einer Desktop Firewall getan zu haben. Im Business hat man dafür ja die verantwortlichen Herren Systemadministratoren. Und natürlich den Corporate Authenticity Trust and Security Disclaimer, der automatisch unter jede ausgehende Mail gehängt wird.

Herr Krit: Der Newsdienst Heise online schrieb am 10. September 2004 im dem Artikel Abhören für jeden Geschmack: „Mit einer Zunahme der Überwachung von E-Mails durch staatliche Stellen ist voraussichtlich ab 2005 zu rechnen.“ Was ist damit gemeint und wie sorgst Du als Berater und Blogger vor?

Marcus: Ja, das ist eine unschöne Geschichte. Seit dem 1. Januar sind Provider, über deren Anlagen Mailverkehr abgewickelt wird und die eine Anzahl von mindestens 1000 Kunden betreuen, dazu verpflichtet, die Kommunikation nicht nur aufzuzeichnen, sondern auf Verlangen durch Behörden auch weiterzuleiten bzw. auszuhändigen. Die Kritik daran ist natürlich groß: Zum einen werden sämtliche Kosten auf die Provider geschoben, was gerade für kleinere Anbieter eine gewaltige finanzielle Belastung mit sich bringt. Zum anderen wird über solche Maßnahmen der Datenschutz quasi ausgehebelt, wodurch wiederum neue Möglichkeiten zum Datenmissbrauch entstehen.

Diese digitale Schere kann nur über Information und Know-how-Transfer geschlossen werden.

Als Blogger nutze ich Möglichkeiten, dagegen zu protestieren, indem ich meine Leser darüber informiere, wie sie sich im persönlichen Bereich verhalten können und weshalb das sinnvoll ist. Ich bin ja kein Sicherheitsexperte. Es ist nur so, dass wir es mit einer ziemlich auseinanderklaffenden Spaltung zu tun haben: Je weniger die Menschen über ein Medium wissen, umso anfälliger sind sie für dessen »Gefahren«. Hier zum Beispiel das Web: Es fängt mit harmlosen Popups an, geht über Viren, Dialer, unsichere Browser und macht eben auch vor Rechtsverdrehung oder staatlich verordneter Überwachung nicht Halt. Diese digitale Schere kann nur über Information und Know-how-Transfer geschlossen werden.

So entstanden dann auch als winziger Beitrag meinerseits die GPG-Anleitungen für Mac-User mit einer Fünf-Personen-Zielgruppe im Kopf: Wie erkläre ich z.B. meiner kleinen Schwester, wie sie GnuPG auf ihrem eMac zum Laufen bringt, ohne ständig bei mir anrufen zu müssen? Und so habe ich zudem beim Erstellen der Anleitungen wesentlich mehr über PGP und Kryptografie gelernt als ich vorher ahnen konnte. Wissensvermittlung ist also nie umsonst!

Das Schlimme dabei ist, dass es ein quasi unmögliches Unterfangen ist, diese Lücke schließen zu wollen. Angst hält die Schere sperrangelweit offen. Menschen distanzieren sich von ihrer Meinung, sofern sie überhaupt eine vertreten, damit man sie ja nicht verklagt. Oder haben plötzlich »nichts zu verbergen« – und verstecken sich lieber hinter solchen Aussagen, als sich mit ihrer Privatsphäre und neuen Technologien zu beschäftigen.

Herr Krit: Welche Informationsquellen zum Thema Sicherheit favorisierst und nutzt Du? – Das Warum kann ich mir denken. ;-)

Marcus: Sicherheit ist nicht mein Hauptthema, daher bin ich da nicht auf bestimmte Quellen festgelegt. Die typischen Newsgroups sind eine gute Anlaufstelle. Mailinglisten und RSS-Feeds bieten sich überall da zum Abo an, wo potenzielle Sicherheitslücken auftreten können. Wer beispielsweise ein Blog, ein CMS, eine Community oder ähnliches pflegt, ist also gut beraten, der Sicherheit per se einen höheren Stellenwert zuzuweisen. Und gut ist natürlich auch, wenn man jemanden kennt, der in der Materie wirklich zuhause ist.

Herr Krit: Aber Usability ist ein Hauptthema, das Du als Spezialanbieter für Usability-Beratung mit Deiner Geschäftspartnerin Silvana Borsutzky erfolgreich zu vermarkten verstehst. Was hast Du vor dieser Zeit gemacht und wie war Dein Weg zum Erfolg in diesem Dienstleistungsbereich.

Marcus: Ursprünglich komme ich aus dem journalistischen und Texter-Umfeld. Das war zu Schulzeiten mein Traum: vom Schreiben toller Reportagen, Geschichten und Romane zu leben. Ich gab eine Schülerzeitung heraus und verdiente mir in den Achtzigern mehr als ein Taschengeld mit Jahreshauptversammlungs-Berichten für eine lokale Tageszeitung. Im Jahrzehnt darauf schrieb ich für die Kulturredaktion der Bremer taz, arbeitete für Radio Bremen, versuchte mich als Werbetexter und fuhr nachts Taxi.

Mitte der Neunziger kam ich nach Berlin, arbeitete in einer Dialogmarketing-Agentur in den Edison-Höfen in Mitte und wurde dort Partner bzw. Gesellschafter. U.a. war ich für Werbemitteltests, Nutzerbefragungen und die Textoptimierung von Mailings zuständig. Wir arbeiteten mit 14 Mitarbeitern zu neunzig Prozent für zwei große Kunden und waren im Grunde von denen abhängig.

Ende der Neunziger lernte ich Silvana, die bei einem größeren Multimedia-Dienstleister arbeitete, während eines gemeinsamen Internetprojekts kennen. Wir waren ähnlich unzufrieden, teilten ähnliche Visionen. Und so gründeten wir scoreberlin als Webagentur mitten in die erbärmlich verpuffende New Economy hinein.

Es dauerte bis 2002, als wir uns ein Herz fassten, eine klare Strategie ausarbeiteten und uns auf die Usability-Nische festlegten. Das war gut, denn zum einen brachte ich eine Menge Erfahrung aus Nutzerbefragungen mit, zum anderen erhielten Neugründungen zu dieser Zeit sehr viel Aufmerksamkeit, und immer mehr Unternehmen erkannten die Notwendigkeit von benutzerorientierten Inhalten. So konnten wir uns in dieser Nische einen kleinen, feinen Namen machen. Heute binden uns über 80 Prozent unserer Auftraggeber (marktführende Unternehmen, global agierende Konzerne, Agenturen, Behörden) mehrfach in ihre Projekte ein. Und Neugeschäft machen wir zu einem großen Teil aus Empfehlungen.

Mittlerweile bin ich in meinem eigenen, unabhängigen Unternehmen fest angestellt, bekomme dreizehn Monatsgehälter im Jahr und habe bezahlten Urlaub. Das finde ich sehr cool – denn es sah nicht immer danach aus.

Herr Krit: Wie sieht Dein Alltag als Berater und Geschäftsführer aus?

Marcus: Was macht der Usability-Berater? Wir machen, dass User eine Website oder Software ganz einfach, gerne und erfolgreich benutzen und bedienen können. Ich bin sozusagen die Schnittstelle zwischen Nutzer, Anbieter und Entwickler. Alle drei Gruppen verfolgen verschiedene Absichten und Ziele (weshalb ich gegen missverständliche »Usability«-Übersetzungen à la Benutzerfreundlichkeit, Gebrauchstauglichkeit etc. bin, das ist zu einseitig und greift viel zu kurz). Meine Aufgabe ist es, diese teilweise gegenläufigen Ziele bestmöglich unter einen Hut zu bringen. So entstand auch unser Claim als eine Art Leistungsversprechen: Wir optimieren Interaktion.

Wir machen, dass User eine Website oder Software ganz einfach, gerne und erfolgreich benutzen und bedienen können.

Mit dem Anbieter werden zunächst Ziele definiert; das kann die Geschäftsführung sein (in kleineren Unternehmen), die Marketingabteilung oder die Internet-Projektleitung. Als Berater habe ich nun die Aufgabe, aus dem Werkzeugkasten das für die Aufgabe geeignetste Werkzeug herauszuziehen. Dabei steht uns ein recht umfangreiches Set zur Verfügung; im Usability Engineering gibt es eine große Menge wirkungsvoller Methoden, Verfahren und Instrumente.

Oftmals werden zunächst grundlegende Schwächen und Probleme von mehreren Gutachtern im Rahmen der Usability-Inspektion identifiziert. Die Ergebnisse geben genügend Aufschluss und Hinweise, um anschließend spezifische Nutzer-Tests mit der Zielgruppe im Usability-Lab durchzuführen. In Workshops und Seminaren mit den Entwicklern und Designern werden die daraus entstehenden Ergebnisse und Optimierungsempfehlungen erörtert und Usability wird in den Workflow integriert. Der Kreislauf, der dabei entsteht, ist das Schöne und Spannende an meiner Arbeit: Ich habe ständig mit den wirklich unterschiedlichsten Menschen zu tun. Das macht mir sehr viel Spaß!

Herr Krit: Gibt es einen besonders schwierigen Meilenstein in diesem Prozess?

Marcus: Das Schwierigste sind in erster Linie Zeit- und Budgetvorgaben. Beide sind meistens knapp bemessen. Analysen und qualitativ hochwertige Ergebnisse benötigen Zeit. Je mehr, desto besser. Bei den gutachtenbasierten Analysen arbeiten wir in der Regel mit drei, manchmal nur zwei Beratern. Das ist ja eine Kostenfrage, auch hier wären mehr Gutachter natürlich besser.

Bei den Nutzertests steht und fällt die Qualität der Ergebnisse mit der Probandenauswahl, den Probanden selbst, deren Bezug zur Website oder Software und zum jeweiligen Versuchsleiter. Das ist eine echte Herausforderung, vor allem wenn eben nicht nur quantitativ statistische Daten erhoben werden.

Herr Krit: Über diese Herausforderung hast Du vor kurzem den Text Usability-Tests: der authentische Nutzer geschrieben und den schmalen „Grat zwischen sozialer Erwünschtheit und ungekünstelter Authentizität“ ausgelotet. Wo liegen hier kurzgefasst die wichtigsten Probleme und Lösungsansätze?

Marcus: Hehe, kurzgefasst ;) Okay: Authentizität ist wichtig, um echte Ergebnisse zu erhalten. Wenn man uns eine Aufgabe stellt, haben wir den Wunsch, diese Aufgabe erfolgreich zu bestehen. Man kann also einem Probanden noch so oft erzählen, dass die Website getestet wird und nicht der Proband: Er wird sich freuen, wenn er die Aufgabe erfolgreich bewältigt. Und er wird es nicht selten auf sich schieben, wenn er sie nicht schafft.

Die »soziale Erwünschtheit« trägt dazu bei, dass Aussagen verfälscht werden. Probanden sehen sich einer (selbst verursachten) Erwartungshaltung gegenüber bzw. Erwartungen, die sie erfüllen wollen. Das führt dann dazu, dass Aussagen gemacht werden, die dem Verhalten total widersprechen. Der User verirrt sich beispielsweise immer wieder, behauptet aber, er habe sich sehr gut zurechtgefunden. Besonders stark macht sich das bei männlichen Personen bemerkbar, die sich nicht eingestehen, dass sie beispielsweise überfordert sind (bzw. dies in ihrem Ego gar nicht wahrnehmen). Oder in Gruppen-Interviews, wo sich unterschiedliche Charaktere gegenseitig beeinflussen können.

Lösungsansätze beinhalten, dass eine möglichst angenehme Umgebung für den Probanden geschaffen wird, die es ihm ermöglicht, offen zu sein. Eine Umgebung, in der er sich nicht beobachtet, getestet oder gar verhört fühlt. Dazu gehört, den sterilen Laborcharakter soweit als möglich zu reduzieren, aber auch eine angenehme Kommunikation mit den Versuchsleitern, die Vertrauen einflößt. Und auch hier haben wir es mit der oben erwähnten Schwierigkeit der Zeitvorgaben zu tun: Zuwenig Zeit kann beteiligte Personen unter Druck setzen. Das sollte vermieden werden.

Herr Krit: Gibt es eine Hitliste der Usability-Sünden?

Marcus: Das ist eine Frage, die ich so nicht beantworten mag ;) Ich bin nicht so der Fan von Hitlisten, und ich glaube auch nicht an die Usability-Sünden an sich. Letzten Endes schaue ich mir eine Website im Nutzungskontext an: Was will der Anbieter erreichen, welche Ziele wollen die User erreichen, welche Erfahrung und Fertigkeiten haben sie?

Fazit: Usability ist alles andere als tot.

Watzlawicks »Man kann nicht nicht kommunizieren« mag dem ein oder anderen schon aus dem Hals raushängen, aber offenbar basiert aktuell genau darauf eine große Vielzahl schlimmer Usability-Probleme. Keine Antwort ist auch eine Antwort. Zwischen den Zeilen wird auch gelesen. U.a. deshalb bin ich ein Verfechter von interdisziplinären Experten-Teams. Denn erfolgreiche Texte, ansprechendes Design, intelligente Programmierung, das ist alles nicht demokratisch. Eine Website verhält sich. Sie kommuniziert.

Na gut, Hitliste :) Meiner Meinung nach sind die größten Usability-Probleme moderner Webauftritte sehr eng miteinander verwoben:
– miserable Inhalte
– zusammenhangloses Design
– reine Anbieter- statt Benutzerorientierung und umgekehrt
– Fixierung auf Funktionalität
– fehlende Nutzerintegration, z.B. durch Befragungen oder Usability-Tests

Fazit: Usability ist alles andere als tot. Abseits von zweifelhaften Heuristiken, quantitativen Statistiken und hilflosen Normierungs- und Zertifizierungsversuchen werden intelligentes, benutzerorientiertes, emotionales Design und entsprechende Inhalte immer wichtiger werden. Wer das abstreitet, hat noch nie einen User im Usability-Lab verzweifeln sehen ;)

Herr Krit: Ok, ganz schnell weg von den Hitlisten und hin zur Barrierefreiheit, ein Trend im Webdesign, wie ich meine. Hat sie das Zeug, die Interaktion zu optimieren und integriert Ihr sie in Euer Beratungskonzept, wenn ja, wie?

Marcus: Unsere BF-Projekte sind in erster Linie Berater- oder Workshop-Projekte, die auf der BITV basieren. Rein faktisch sind sie ziemlich klar von Usability-Projekten getrennt. Integriert höchstens im philosophischen Sinne, da Usability und Accessibility eng verwandt miteinander sind bzw. Usability die Zugänglichkeit voraussetzt. Eine barrierearme Website an sich ist allerdings nicht zwangsläufig auch benutzerfreundlich. Mir persönlich fehlt auch in all diesen barrierearmen Sites das Design, das Emotionale, der Spaß.

Ganz allgemein denke ich, dass die Bewegung zu mehr Web-Standards-Treue und damit auch Barrierefreiheit der Usability gut tut bzw. Nutzern wie Anbietern Vorteile bringt. Das fängt bei den Suchergebnissen an, geht über Ladezeiten, Bedienbarkeit und Verständlichkeit und hört mit langfristig niedrigeren Kosten sicher nicht auf.

Herr Krit: Thema Weblogs: Werden sie die Unternehmenskommunikation verbessern?

Marcus: Sie haben in jedem Fall das Potenzial dazu, wenn sie aktuell sind, authentisch und nah am Leser geschrieben werden. Als reines PR-Bonbon im Kommunikationsmix halte ich den Einsatz von Weblogs für verfehlt. Das wäre derzeit wahrscheinlich auch fatal. Und intern sind Weblogs auch prima geeignet, um Projekte und Mitarbeiter nicht nur im Konfi zusammen zu bringen.

Herr Krit: Was tust du und wer bist du, wenn Du nicht am Rechner sitzt oder Kunden bedienst?

Marcus: Ich lese sehr gerne! Seit meiner Kindheit gelte ich als Leseratte. Allerdings ist heute mein Literaturkonsum nicht mehr so hoch wie früher. Und da ich schon seit Jahren sehr glücklich verheiratet bin, genieße ich den Großteil meiner Freizeit mit meiner Frau, zum Beispiel im Berliner Umland auf ausgiebigen Spaziergängen oder als wolkentauchender Freefly-Skydiver über Brandenburgs Seen.

Neben diesen Leidenschaften habe ich auch noch Hobbys: zum Beispiel meine Küche und das Kochen für mich, meine Freunde und die Familie. Dank koreanischer Herkunft bin ich glücklicherweise mit einer Unmenge asiatischer Kochrezepte großgeworden. Und natürlich die Technik. Ich danke heute noch Steve Jobs dafür, dass meine Frau seinen Produkten schon vor Ewigkeiten so sehr verfallen ist, dass es nur noch eine Frage der Zeit war, bis ich ebenfalls zum Mac-User wurde. Ja, und als Digital-Video-Fan bin ich ein großer Fan von StopMotion-Filmerei. Wenn ich mal einen einigermaßen sehenswerten Clip zustande bekomme, stelle ich ihn natürlich in mein Blog ;)

Herr Krit: Vielen Dank für das Interview. Nun hast Du das letzte Wort. Fehlte ein Thema, liegt Dir etwas besonders am Herzen oder hast Du gar eine Antwort auf die Frage aller Fragen? ;-)

Marcus: Ich danke dir, Ralph! Die Frage aller Fragen hatte Alp ja schon beantwortet. Das hat Einstein dazu gesagt. Ist also wahr: »Falls Gott die Welt geschaffen hat, war seine Hauptsorge sicher nicht, sie so zu machen, dass wir sie verstehen können.«

Und Douglas Adams fügte hinzu: »Es gibt eine Theorie, die besagt, wenn jemals irgendwer genau herausfindet, wozu das Universum da ist und warum es da ist, dann verschwindet es auf der Stelle und wird durch noch etwas Bizarreres und Unbegreiflicheres ersetzt. Es gibt eine andere Theorie, nach der das schon passiert ist.«

24. Februar 2005 | 2 comments | | archiv |

21. Februar 2005

Auf der Suche nach dem besten Tool

Manuela Hoffmann aus Berlin ist freiberufliche Mediengestalterin. Auf ihrer Website pixelgraphix bietet sie hilfreiche Artikel rund um das Webworking, stellt zahlreiche Links vor, bloggt Texte und Fotos, verschenkt ein Iconset für Weblogs und unterstützt tatkräftig den Browserliebling Firefox.

Herr Krit: Wie und wann hast Du das Bloggen entdeckt und was hat Dich motiviert, ein Weblog aufzumachen?

Manuela: Bis 2002 habe ich statische Webseiten erstellt und mich immer wieder geärgert, dass ich bei umfassenden Änderungen an meinen Webseiten regelmäßig Tabellen zerschossen habe. Also begann ich verschiedene Content Management und Weblog Systeme auszuprobieren. Ich fand Gefallen an nucleus und später pMachine. Im Vordergrund meines Interesses stand also in erster Linie die Technik, Informationen dynamisch ins Netz stellen zu können. Auf meinen Streifzügen durch das Netz auf der Suche nach dem besten Tool oder der coolsten Erweiterung erwachte dann auch mein Interesse am Bloggen an sich. So startete ich surfgarden und schrieb auf, was mir im Netz so Interessantes unter die Maus kam. Über die positive Resonanz war ich sehr erstaunt und natürlich erfreut.

Hat man einmal Gefallen am systembasierten Publizieren gefunden, mag man nicht mehr ohne. Und so stellte ich Ende 2003 auch meine langjährige Präsenz auf pixelgraphix auf Weblog um.

Herr Krit: Aktuell favorisierst Du Movable Type. Warum?

Manuela: Einige meiner absoluten Favoriten wie stopdesign, simplebits, airbag oder hicksdesign verwendeten bzw. verwenden Movable Type. Im ersten Test erschien mir das MT Interface sehr ausgereift und übersichtlich. Die Featureliste konnte sich sehen lassen und Tipps, Tricks und Plugins gab es auch jede Menge. Die Möglichkeit, statische Seiten erstellen zu lassen fand ich sehr schön, denn ich war von meinem damaligen Provider nicht verwöhnt worden, was die Stabilität der MySQL-Unterstützung anging. Da ich nicht alle paar Monate ein neues System installieren wollte, beschloss ich erst mal, bei MT zu bleiben.

Nach anderthalb Jahren intensiver Beschäftigung mit der Software kenne ich sie recht gut und komme schnell zum gewünschten Ergebnis. Ich persönlich finde MT unheimlich adaptierbar und gut dokumentiert. Auch Updates verliefen immer ohne größere Probleme, was ich sehr wichtig finde. Natürlich gibt es immer auch Probleme und ich habe auch einen Wunschzettel für 6A, aber im Großen und Ganzen bin ich so zufrieden, dass ich auch schon Kunden mit MT versorgt habe.

Momentan fehlt es mir leider an Zeit und Ausdauer, tiefer in die Geheimnisse von Textpattern, WordPress und Co. einzusteigen.

Herr Krit: Seit 1999 arbeitest Du freiberuflich. Wie fing das an? War es geplant?

Manuela: Geplant hatte ich etwas ganz anderes, nämlich als Lehrerin für Englisch und Erdkunde in Berliner Schulen mein Unwesen zu treiben. Aber dann kam alles ganz anders: Während meines Studiums arbeitete ich nebenbei als studentische Hilfskraft. In dieser Zeit machte ich meine erste Bekanntschaft mit dem Internet. Damals zu reinen Recherchezwecken. Als die Bitte, eine Homepage zu erstellen, an mich herangetragen wurde, begann ich mir das nötige Wissen über verschiedene Suchmaschinen zusammenzutragen und fand schnell Gefallen daran.

Grafisch hatte ich mich eigentlich schon immer betätigt, meine Kreationen jedoch eher für mich behalten ;-). Auf meiner ersten eigenen Homepage bot ich Banner- und Logodesign dann kostenlos an und fand auch Interessenten. In dieser Zeit sprach mich dann die erste Agentur auf eine Zusammenarbeit im Bereich Grafikdesign an. Über die Jahre hat sich daraus eine kontinuierliche und wohltuende Zusammenarbeit entwickelt. Als ich mein Staatsexamen in der Tasche hatte, stellte sich die Frage nach dem Schulbetrieb gar nicht mehr und ich habe den Schritt in die Selbständigkeit bis heute nicht bereut.

Herr Krit: Was hat sich für Dich am freiberuflichen Leben geändert im Verlauf der 6 Jahre? Als Stichwörter zur Frage fallen mir Konkurrenzdruck, veränderte berufliche Anforderungen, Kundengewinnung, Arbeitsstil ein.

Manuela: Als ich anfing, kannte ich praktisch keine Zeiten. Ich habe solange an einem Auftrag gearbeitet, bis ich selbst 100 Prozent zufrieden war und meinen eigenen Geschmack getroffen hatte. Umso enttäuschter war ich dann auch, wenn mein Vorschlag beim Kunden keinen Gefallen fand. Im Laufe der Zeit habe ich mir angewöhnt, die Produktionszeit im Auge zu behalten und auch gezielt Pausen einzulegen bzw. den Computer zu einem bestimmten Zeitpunkt auszuschalten. Ich habe gelernt, meine Arbeiten aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten und auf Kundenwünsche besser einzugehen. Sehr geholfen hat mir die räumliche Abgrenzung „zur Arbeit“ in einem Arbeitszimmer. Wenn man freiberuflich arbeitet, ist man für die Organisation der Arbeit und der Bürokratie immer selbst verantwortlich, was sehr anstrengend sein kann.

Ich habe gelernt, meine Arbeiten aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten

Da die Konkurrenz bekanntlich nie schläft und es viele Anbieter von Grafikdesign im unteren Preisegment gibt, die offenbar keine eigene Existenz unterhalten müssen, konzertiere ich mich verstärkt auf den Bereich Webdesign und hier v.a. das CSS-basierte. Meine Wege der Kundenakquise mag ich nicht so frei preisgeben, muss aber sagen, dass mein Weblog in der letzten Zeit recht hilfreich ist ;-).

Herr Krit: Womit wir nun über den Begriff CSS beim Thema Webstandards angelangt sind, die Dir ein großes Anliegen sind. Siehst Du Dich im Hinblick auf die Erstellung von Websites in der Minderheit unter den Webdesign-Anbietern? Mit welchen Argumenten versuchst Du potentielle Kunden zu überzeugen?

Manuela: Aktuell ist Webdesign, das sich nach Standards richtet, in Deutschland v.a. bei kleinen und mittelständischen Betrieben nicht die Regel. Was meine tägliche Arbeit angeht, muss ich sagen, dass vielen Kunden die Begrifflichkeiten z.B. auch aus aktuellen Print-Magazinen durchaus geläufig sind, die praktische Seite häufig jedoch nicht voll erfasst wird. Einige Kunden haben auch ganz praktische nachvollziehbare Probleme, da sie ihre Seiten selbst mit einen Webeditor bearbeiten und sich an das Tabellendesign gewöhnt haben. Sie möchten sich ungern „um“gewöhnen und erleben häufig einen Aha-Effekt, wenn ihnen praktisch vorgeführt wird, wie einfach es z.B. ist, eine Auflistung in CSS zu gestalten wenn man es vorher gewohnt war, mit Listenbildchen in Tabellen zu arbeiten.

Leider fruchten Argumente wie die bessere Benutzerfreundlichkeit von Standards-basierten Seiten z.B. durch Farb- und Schriftgrössenveränderung häufig seltener als das Argument, des schnelleren Ladens der Seite … Das finde ich schade.

Ich schicke interessierte Kunden gern auf meine Sammlung unter CSSHilfe oder sende ihnen spezifische Artikel, aus denen die Vorteile der Verwendung von Web Standards klar hervorgehen.

Meist ist es die Faszination für eine Sache verbunden mit einer ganzen Menge Spieltrieb

Herr Krit: Neben der CSSHilfe betreibst Du eine Reihe weiterer freie Projekte und in ihnen steckt viel Arbeit. Was motiviert Dich, was treibt Dich an?

Manuela: Das ist eine sehr gute Frage, die meine Familie auch gern beantwortet wissen möchte ;-). Meist ist es die Faszination für eine Sache verbunden mit einer ganzen Menge Spieltrieb. Ich finde es nicht schwer, neue Projekte aus dem Boden zu stampfen, da habe ich eine ganze Menge Ideen. Die wirkliche Herausforderung ist es, die Projekte am Laufen zu halten. Die meisten meiner Projekte erlauben Kommentare. So bekomme ich Feedback und allein das Wissen um eine stete Leserschaft ist eine schöne Motivation. Andererseits hatte ich z.B. gerade bei Firefox das Gefühl, ein wirklich wichtiges Thema unterstützen zu können. Das geht Dir sicher ähnlich. In Deiner hervorragenden Firefox-Anleitung steckt viel Liebe und Arbeit.

Herr Krit: Danke :-) – Zu Deinem Spieltrieb passt prima Deine Freude an Flickr, oder? Es ist ja unschwer zu übersehen, dass Du Fan bist. ;-) Was fasziniert Dich an diesem Foto-Community-Projekt?

Manuela: Ertappt würde ich sagen ;-). Ich habe Flickr relativ spät entdeckt und dann hat es mich voll erwischt. Ich selbst habe schon verschiedene Online Foto Galerien mit den unterschiedlichsten Mitteln gestaltet und immer die eine oder andere Unzulänglichkeit entdeckt, die ich mangels Programmierkenntnissen nicht überbrücken konnte. Mit meiner Fotodatenbank (derzeit leider offline) bin ich schon ganz zufrieden, was die Automatisierung des Hochladens und Taggens von Bildern angeht. Das alles verblasst im Vergleich zu den Möglichkeiten, die Flickr bietet. Verschiedene Uploadmöglichkeiten für verschiedene Betriebssysteme machen das Hochladen eines Bildes – in gleich mehreren Auflösungen – zum Vergnügen.

Und das Hochladen ist nur ein ganz kleiner Bestandteil der vielen Features, die Flickr wie selbstverständlich anbietet: RSS-Feeds, Blogposts, Favoriten, Kommentare (ohne Spam), Foren, …

Und wer sich für die technische Seite nicht interessiert, kann auf Flickr Bilder aus der ganzen Welt bewundern und besprechen ohne von Technik überfordert zu werden … Was Ludicorp da geleistet hat, finde ich wirklich bewundernswert.

Herr Krit: Fallen Dir grad ein paar Fotos oder Ideen ein, die dich aktuell auf Flickr besonders faszinieren?

Manuela: Fotos mit dem Tag „onwhite“ zum Beispiel, weil ich das auch schon immer mal ausprobieren wollte. Fotos mit dem Tag Driftwood habe ich als RSS-Feed abonniert um mein Fernweh zu stillen ;-).

Na ja, und meine Favoriten, die ich mir wirklich häufig anschaue, weil es unglaublich gute Bilder sind.

Herr Krit: Was tust du und wer bist du, wenn Du nicht am Rechner sitzt oder Kunden bedienst?

Manuela: Dann bin ich stolze Mama meiner 2,5 jährigen Tochter, die mein Leben komplett auf den Kopf gestellt hat und mich Dinge tun, sagen und fühlen lässt, die ich mir nie hätte vorstellen können. Ich bin gern in Berlin, noch viel lieber an der Ostsee mit meiner Kamera auf Bilderfang – obwohl das zwangsläufig auch wieder an den Rechner führt ;-) …

Herr Krit: Vielen Dank für das schöne Interview. Nun hast Du das letzte Wort. Fehlte ein Thema, liegt Dir etwas besonders am Herzen oder hast Du gar eine Antwort auf die Frage aller Fragen? ;-)

Manuela: Du musst das Leben nicht verstehen,
dann wird es werden wie ein Fest.

Ich danke Dir für das Interview, Ralph!

21. Februar 2005 | 1 comment | | archiv |