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Interview mit Michael Nicklas

Das Internet und die Erfindung des Bügeleisens

KriT: Als ich vor Monaten Deine Homepage gedankenspaziergänge entdeckte, war ich begeistert. In einem eigenwilligen Design hast Du dort eine Hitparade der T-Shirts und ein besonderes Preisrätsel untergebracht. Um was geht es dort genau?

Michael: Das sind zwei unterschiedliche Abteilungen der gedankenspaziergaenge. Das "T-shirt der Woche" ist ein leiser, selbstauferlegter Zwang. Jede Woche einen eingeschickten oder "selbstspazierten" Text "typo-graphisch" umzusetzen, macht mir riesigen Spaß und hält aktiv. Demnächst wird es eine kleine Auswahl der shirts so richtig zum Anziehen geben - für gute Freunde. Du kannst Dir ja schon mal eins aussuchen - oder noch besser eins einschicken.
Die Rätselecke ist ein bescheidenes Angebot an alle SZ-Sommerrätsler. Das Rätsel selbst wird von zwei verrückten Redakteuren des Magazins der Süddeutschen Zeitung veröffentlicht. Jedes Jahr im August. Drei (sicher auflagensteigernde) Magazine, je zwölf Fragen. Viele Fragen sind heftig, manche blödsinnig, aber einige sehr witzig. Dieses Jahr war die gesuchte Lösung eine Internet-Adresse - kombiniert mit einem Passwort. Hat mich sofort begeistert. Aber die Jungs haben nicht aufgepaßt. Letztenendes mußte man nur zwei der 36 Fragen lösen und sich ein wenig in Digitalien auskennen. Schon hatte man die Lösung - inklusive Passwort. Bin gespannt, was nächstes Jahr passiert. Ob die Jungs wieder so in's Klo greifen?

KriT: Du machst Dir gerade die Mühe, Deine Einführung in die Typographie auszubauen. Was hat Dich dazu bewegt, der Webgemeinde das anzubieten? Warst Du erschrocken über diese langen Zeilenbreiten in vielen Texten?

Michael: Ach ja. Die Leute geh'n in's Kino, manchmal in's Theater, lesen Zeitungen, Bücher, gehen zum "Abhotten", aber von Schriftkultur will kein Schwanz was wissen. Dabei konsumiert jeder einzelne von uns jeden Tag Schrift wie blöd. Sag mir doch mal, wie die Hausschrift von SAT.1 heisst. Na?
Gretchen würde fragen: "Heinrich, wie hälst Du's mit der Typographie?" Spitzenmäßig, wenn jeder Einzelne die Chance hat, etwas zu publizieren. Unbeschreiblich, wer sich dann auch noch um das Erscheinungsbild bemüht. Würdest Du Dich total abgerissen in die Fußgängerzone stellen und den Leuten schlechte Fotos von Deinem letzten Urlaub oder Deiner Katze zeigen? Na?
Deshalb die Typo-Ecke, die übrigens grade "entbleit" wird. Ich versuche zu lernen. Und ich möchte alle zu einem Besuch einladen. Vielleich lohnt es sich ja.

KriT: Ich habe mich über Deine schönen Beträge für mein Webtagebuch und das Bücherboard gefreut. Was denkst Du über private Mitmach-Projekte im Web?

Michael: Das Beste überhaupt! Digitalien lebt von solchen Projekten. Das "T-shirt der Woche" zielt ja auch in diese Richtung. Ich weiß ja nicht wie Deine Erfahrungen sind. Ich denke, das Netz lebt von Besessenen. Wenn Du was suchst, dann findest Du entweder die genialen Antworten auf den Seiten von "Privat-Besessenen" oder Du findest nix. Besessene vor!

KriT: Wie würdest Du Deine Erfahrungen mit Web-Kommunikation (E-Mail, Chat, Newsgroups) auf den Punkt bringen?

Michael: E-Mail ist das Beste seit der Erfindung des Bügeleisens. Chatten is nich mein Ding. Hat so was von "Nanno, Nanno, Rumsdy, Bumsdy". Newsgroups schon eher. Nette Leute, die sich auskennen. "Ask The Guru".

KriT: Was bedeutet das Internet für Dich persönlich?

Michael: Primär Spaß. Aber auch Telefon-Kohle-Stress. - Grosse Schülerzeitung für alte Esel. - Bühne. - Sicher auch Profilneurose. - Natürlich Info. Selten, aber doch. - Und am wichtigsten: besessene Leute.

KriT: Ich weiß, es gibt auch ein Leben nach dem Internet. Was machst Du in diesem Leben und wer bist Du dort?

Michael: a) Viel zu wenige "gedankenspaziergänge".
b) Ein kleines Licht, das versucht Kreativen bei Ihren Problemen mit der Druckvorstufe aus der Patsche zu helfen.

KriT: Vielen Dank, Michael :-)

Michaels gedankenspaziergänge