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Interview mit Antje Küchler

über ihren Ehrgeiz, den Verlust einer Homepage und über die Zukunft und Gefahren des Internets.

KriT: Aufgefallen bist Du mir mit Deiner Homepage über die Schauspielerin Catherine Deneuve. Diese Seiten gehörten zu meinen Lieblingsseiten. Leider sind sie verboten worden. Was ist passiert? Antje: Vom Ehrgeiz zerfressen, wollte ich nicht nur eine Homepage zu Ehren der französischen Schauspielerin gestalten, sondern auch noch die Erlaubnis für das Prädikat "offiziell" erwirken: Ich schickte demzufolge einen Brief nach Paris, in dem ich höflich meine Bitte formulierte. Wenige Wochen später erhielt ich ein Schreiben von der Agentur, in dem mir mitgeteilt wurde, daß keine Genehmigung für die Verwendung des Namens der Schauspielerin sowie für die Veröffentlichung von Photographien, auf denen sie abgebildet ist, erteilt wird. Stattdessen wurde mir ein Verbot ausgesprochen, mit den obengenannten Verwendungen und Veröffentlichungen fortzufahren; weiterhin hatte ich schriftlich zu bestätigen, daß ich jenes mir auferlegte Verbot nicht mißachten werde. Meine Anfrage nach Gründen für dieses Vorgehen blieb bisher unbeantwortet.
Sicherlich wäre etwas mehr Toleranz hier sehr willkommen gewesen, und natürlich bestand keine zwingende Notwendigkeit meinerseits, den Forderungen Folge zu leisten; aber um zu vermeiden, daß man schließlich mit Kanonen auf Spatzen geschossen hätte (die Bemühung übergeordneter Institutionen wäre wohl unweigerlich erfolgt), erfüllte ich bedingungslos das Postulat.

KriT: Wie gefragt war Deine Arbeit, wie sah das Feedback aus?

Antje: Nun, ich glaube, die Verleihung des Web Oscars, die Aufnahme in die Top 5% deutscher Webseiten und der Erhalt von 3 Sternen (von Magellan) sprechen wahrscheinlich schon für sich. Regelmäßig schrieben mir begeisterte Websurfer, wie sehr ihnen die Seiten gefallen haben; manche bedankten sich sogar dafür. All das war natürlich ein Ansporn für mich, die Arbeit auszubauen und zu perfektionieren.

KriT: Wieviel Arbeit hast Du investiert, so ungefähr?

Antje: Mehrere Wochen lang saß ich täglich vor dem Monitor, manchmal habe ich stundenlang das Zimmer nicht verlassen.

KriT: Eine andere Homepage von Dir stellt Vaya Con Dios vor, befürchtest Du hier keine Schwierigkeiten?

Antje: Da frage ich gar nicht erst! Ich warte hier einfach ab, vielleicht wird diese Page nie von den betreffenden Personen entdeckt.

KriT: Du meinst, das Web ist so groß, soweit wird kein Anwalt surfen!

Antje: Es gibt so unendlich viele inoffizielle Pages; ich glaube, hier müßten auch erst einmal länderübergreifende Gesetze geschaffen werden, bevor eine "Razzia" erfolgen könnte. Aber solange in Rußland z. B. alles erlaubt und in Frankreich z. B. vieles verboten ist, wird ein solches Vorhaben nie funktionieren.

KriT: Welche Bedeutung hat für Dich persönlich Deine Arbeit im WWW? Was fasziniert Dich und was stört Dich?

Antje: Für mich, persönlich... zuerst war ich im Web nur auf Entdeckungsreise, sozusagen nur passiver Consumer. Doch schon bald verspürte ich das Verlangen, selbst aktiv zu werden; da ich eine große Bewunderin der "Belle de Jour" bin und auch die Musik Vaya Con Dios' sehr liebe, bot es sich an, für diese Künstler Homepages zu erstellen. ... und einmal angestoßen, rollt der Stein nun mit immer größer werdender Geschwindigkeit den Berg hinab.

KriT: Aber es gab doch sicherlich ne Menge Hindernisse zu überwinden. Wenn ich nur an meine Anfänge mit HTML denke!!!

Antje: Ja, die Anfänge. Die ersten HTML Versuche mit zwanzig BR hintereinander, und anderen Späßen. Was half, war meine gesammelte Erfahrung in anderen Programmiersprachen.

KriT: Wie bist Du zum Programmieren gekommen?

Antje: Es mag unglaublich klingen, aber schon in der Schule wurden wir mit Computern konfrontiert (wir waren damals, 1988 eine der ersten Schulklassen gewesen), an der Uni ging es weiter, da mußten wir ausgewachsene Pascal-Programme schreiben. Das war auch Hauptbestandteil meines Praktikums bei Siemens.

KriT: Wie siehst Du gesellschaftlich gesehen die Zukunft des Internets?

Antje: Sehr optimistisch. Meiner Meinung nach birgt das Internet ein riesiges Potential in sich, das Leben der Menschen nachhaltig zu beeinflussen, so wie seinerzeit die Erfindung des Automobils oder des Computers an sich den technischen Fortschritt revolutionierte. Vor allem auch sogenannte "Dritte Welt Staaten" erhalten durch die Vernetzung enorme Möglichkeiten, am industriellen Fortschritt teilzuhaben. Persönlich für mich z. B. bedeutet es, sehr schnell und einfach an Informationen zu gelangen, die auf herkömmlichen Wege nur extrem umständlich zu beschaffen wären.

KriT: Eine skeptische Fraktion sieht in erster Linie Gefahren und Risiken auf uns zukommen: Kein Schutz vor pornografischen Inhalten für Kinder; der gläserne Konsument durch Auswertung von Datenspuren; Vereinsamung am Computer und Reduzierung sozialen Miteinanders. Was denkst Du über solche Einwände?

Antje: Pornographie gibt es mit oder ohne Internet, dieses Thema heute noch zu verteufeln, ist in meinen Augen irrsinnig altmodisch - wir sind ja schon soweit, daß nachmittags im Fernsehen über Potenzprobleme "getalkt" wird. Auch diese Angst vor dem "gläsernen Konsumenten" halte ich für übertrieben. Es ist Zeit, aus unseren Höhlen zu kriechen, das Verstecken voreinander sollte ein Ende haben. Wenn wir global aufeinander zugehen wollen, müssen wir auch Opfer bringen. Und vereinsamen wird nur derjenige vor dem Computer, der ansonsten vor dem TV-Gerät vereinsamt wäre; sicherlich wird es einen Boom geben, via Computer zu chatten wird eine Zeit unheimlich "in" sein, aber schon bald wird sich das relativieren - die Menschen werden sich auch weiterhin in Bars treffen oder ins Theater gehen, nachdem sie ein Viertelstündchen mit einem Australier getalkt haben, zum Beispiel.

KriT: Ich habe gehört, Du hast den Auftrag bekommen, eine Homepage zu gestalten. Kannst Du Dir vorstellen, mit Internet-Dienstleistungen Geld zu verdienen

Antje: Das werde ich! Der Auftrag, die Homepage der TU Chemnitz-Zwickau neu zu gestalten, ist mit einer Hilfsassistentenstelle gekoppelt - heißt mit Geld verdienen. Ich könnte mir sehr gut vorstellen, HTML Programmierung auch professionell zu betreiben.

KriT: Aber schon wird Software entwickelt, die es überflüssig macht, in die Tiefen von HTML zu steigen.

Antje: Richtig, aber keine Software wird in der Lage sein, die Graphiken und Tabellen nach ästhetischen Gesichtspunkten auf dem Bildschirm zu verteilen. Das wird weiterhin der menschlichen Hand vorbehalten bleiben.

KriT: Zum baldigen Schluß: Kannst Du uns drei gute und drei schlechte Eigenschaften Deiner Persönlichkeit verraten? :-)

Antje: Gute: Ich bin sehr ehrgeizig, ich rauche nicht und ich helfe sehr gerne anderen Menschen, völlig uneigennützig. Schlechte: Ich bin viel zu gutmütig, muß ständig gegen meine Faulheit ankämpfen und bin manchmal einfach zu starrsinnig.

KriT: Ich möchte Dir hiermit den KriT-Apfel schon einmal in Gedanken überreichen. Der soll Dich etwas trösten, von wegen Deines Verlustes, und Dich für weitere Aktivitäten stärken. Freust Du Dich?

Antje: Oh ja, natürlich, es ist mir eine große Ehre, diese Auszeichnung annehmen zu dürfen. Ich bedanke mich vielmals, der KriT-Apfel wird definitiv Ansporn sein!

KriT: Ja, das ist schön und ich bedanke mich für diesen guten Talk.

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