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Freund und Feind im Internet

Interview mit Stefan Müller



KriT: Du bist einer der aktivsten Webber im Netz, pflegst das PhilNet, bist sehr engagiert in diversen Mailinglisten und treibst das Projekt Suchmaschine für Kultur im Web voran. Was motiviert Dich und welche Ziele verfolgst Du?

Stefan: Wieviele Fragen sind denn das? ;-) Bezüglich der "Motivation" ist es mehr meine eigene Erwartung, die ich an das WEB oder an das Internet als Ganzes stelle. Als Kunde König bediene ich mich wo ich kann, vor allem dort, wo es mich interessiert und irgendwann stelle ich dann fest, daß es etwas, was ich gern im Netz hätte, nicht gibt. Da ich aber nicht so recht weiß, wen ich nun bitten soll, mir hier und da ein Paradieschen hinzustellen, muß ich wohl selbst an die Arbeit.

"Ziele verfolgen" finde ich einen guten Ansatz. Zuerst sind es eher kleine Ziele: ein bißchen weniger Arbeit beim Suchen nach Philosophie-Quellen, oder all die kleinen Suchma schinen fertigzukriegen, so daß man sie benutzen kann. Ich bin zwar kein Freund des ZEN, aber bei mir ist auch der Weg das Ziel.

Mit den "großen Zielen" komme ich in letzter Zeit ins Schwimmen. Als ich mit Georg Sommer und Jan Boddin damals das Projekt PhilNet anging, hatten wir natürlich eines schönen Tages auch ein paar größere Ziele. Aber die Voraussetzungen sind nicht mehr so ganz wie die vom November 95. Was davon bei mir noch hängen geblieben ist, ist die Mitarbeit beim Aufbau des deutschsprachigen Webs, denn es ist davon auszugehen, daß der Philosophie-Bereich als Karstadtangebot sonst eher etwas mager aussieht, wenn sich niemand darum kümmert.











KriT: "Surfen ist out", behauptet Kim Polese, Chefin der Push-Firma Marimba, "die Leute wollen zu ihrer Unterhaltung bloß en paar Kanäle, so wie im Fernsehen." Glaubt man den Push-Propheten, wird der Browser bald aussterben. Man geht nicht mehr selbst die Suche im Netz an, entscheidet nicht mehr Klick für Klick, sondern läßt sich über Kanäle bedienen. Lohnt sich da eigentlich noch der Einsatz, dem deutschsprachigen Web Struktur zu geben, es attraktiver, kommunikativer und lebendiger zu machen?

Stefan: Keine Ahnung, ich kann mit Marimba nichts anfangen. CompuServe hat lange auch die Methode gefahren, ein "übersichtliches WEB" anzubieten. Nun sind deren Kunden doch alle im Internet. Ein wesentlicher Grund war, daß die Leute selbst etwas ins Web stellen wollten und das kann eben keiner abnehmen. Marimba hat in diesem Sinne nichts mit dem Internet zu tun, vielleicht eher mit dem Fernsehen.




KriT: Wie bist Du zum Internet gekommen? Kannst Du es Dir noch wegdenken?

Stefan: Ursprünglich hatte ich die Idee, mir eine eigene kleine PD-Software-Schmiede aufzubauen. Als ich Ende 1994 das erste mal das Web sah, war es um mich geschehen und mir war schnell klar, daß meine ursprüngliche Idee etwas zu kurzsichtig war. Diese Idee war auch aus einer Zeit, in der ich Leuten über die Schulter schaute, für die UNIX das halbe Leben war. Es sah einfach nur zu kompliziert aus. Naja, und als ich dann hörte, daß Studierende einen kostenlosen Account von der Universität bekommen können, und ich dadurch über meinen eigenen Computer ins Internet kommen konnte, hat mich eigentlich nichts mehr aufgehalten. Wegdenken kann ich mir Vieles im Internet, aber einiges würde ich doch gern behalten.



Ariadne

Ariadne
Suchmaschine für Philosophie




Minerva

Minerva
Textarchiv für Philosophie




KriT: Und was?

Stefan: Was mich richtig stört, ist das Bild vom Internet, das seit einiger Zeit in der Öffentlichkeit dem neu zu erschließenden Kundenkreis vor deren Augen gemalt wird. Es sieht dann so aus, als wäre das alles ein Supermarkt, in dem es Angebote und Nachfragen gibt, deswegen kann ich mit Marimba auch nichts anfangen, denn ich habe mich weder als Kunde, noch als kommerzieller oder kultureller Anbieter ins Netz gehängt.

Eine weitere Vorstellung vom Internet finde ich ganz grausig. Man redet sich leicht eine Scheinwelt von virtueller Substanz ein, die man gegenüber der reellen Welt abgrenzend definieren möchte, als hätte die Welt auf diese klärenden Worte gewartet. Das ganze ist dann eine "philosophische Betrachtung" des neuen Mediums, und wer das nicht so sieht, ist akademisch verklemmt. Dieser Automatismus geht einfach zu schnell. Da ich selbst nun so einen Philosophie-Online-Dienst mit aufgebaut habe, bin ich doch recht empfindlich geworden, was den Kunstbegriff, Virtuelle Identität/Welt/Realität betrifft. Aber mehr stört mich daran, daß das auch noch die meisten schnell glauben möchten. Die Esoteriker - stets auf der Suche nach ihrem Körper und Geist sind mit Leihstücken aus der Chaostheorie dabei, neue Daseinsformen herbeizureden und nun haben sie eben die virtuelle Realität erfunden. Mit Philosophie hat das nichts zu tun, eher mit Religion, aber das ist ja auch für die Meisten dasselbe und erklärt dann auch den starken Missioniersdrang.

Es ist nicht einfach, sich auch aus philosophischen Interesse mit den Möglichkeiten und Kuriositäten des Internets zu beschäftigen, und an diesen Klötzen Kommerz und Virtualizismus sauber und ungeschoren vorbei zu segeln. Auf der anderen Seite bietet das Internet ja auch den Vorteil, die bisherige Elfenbeinturm-Philosophie aufzubrechen und Marktplätze zu schaffen. Dennoch hat auch der Markt seine Schattenseiten.

Ein Moment, der mich persönlich etwas stört, ist die Vorstellung, daß auch im Internet alles so sei, wie es sei.. Das paßt nicht mit meiner Vorstellung zusammen, daß man eben auch im Internet Probleme beseitigen muß, oder von mir aus auch Probleme für andere schafft. Besonders in den Diskussionsforen wird übersehen, daß es eine solche Trennung wie ICH und DAS INTERNET gar nicht gibt. Jeder Beitrag ist ein Teil des Internets, manche ändern sogar die ganze Struktur in großen Bereichen des Internets. Schließlich ist es so entstanden und nicht einfach vom Himmel gefallen. Ein solches Alles-ist-so-wie-es-ist-Denken kommt nicht durch das Internet, sondern wurde hineingetragen. Der Pioniergeist läßt immer mehr zu wünschen übrig, stattdessen: Zitate, Zitate - immer wieder lehrreiche Zitate. Fast so wie Goethe und Schiller, die sich die Leute dann ins Regal stellen, um Bildung zu zeigen.

Das kann ich zwar alles nicht verhindern, würde ich mir aber gerne wegdenken, zumal ich mir mit dieser Einstellung immer mehr verbitterte Feinde anlache.




KriT: Bevor wir zu den Feinden kommen, wie würdest Du den Begriff "Virtuell Life" in Bezug zu "Real Life definieren?

Stefan: Das ist eben die Suggestion. Da ist ja gar kein Begriff - also, kein Wort mit Bedeutung, sondern nur ein Wort - und da läßt sich nichts definieren. Zuerst müßte ich ja mal wissen, was das "Real Life" ist, und kann dann was anderes darauf in Bezug setzen. Wenn nicht, nützt mir die ganze Definition nicht viel. Und hier sehe ich auch das eigentliche Übel. Wenn ich nun sage - Real Life ist das und jenes, dann muß jeder Andere laut aufschreien und an die Decke springen, oder sich vor Lachen krümmen. Das "richtige Leben" gibt es nicht, wenn überhaupt, kann ich mal gerade ein paar bescheidene Sätze zu meinem Leben sagen, und so alt bin ich ja nun auch wieder nicht, daß sich dafür jemand interessiert. Genauso unsicher wie das Greifen von "RL" ist dann auch ein "VL", wenn es in diesem Bezug definiert ist.

Aber, ich kann dennoch verstehen, was die Leute dazu bewegt, sich mit so etwas wie "VL" anzufreunden. Auf der Basis Geschäfts-, Berufs-, Arbeits-, Sexual- und Alltagsleben ist das ja auch alles okay, nur diese "Leben" sind dann Teil des reellen Lebens und nichts demgegenüber verschiedenes oder gar besonderes. Es ist dann nicht mehr, als die Summe der Internet-Tätigkeiten. Da macht es aber nichts, wenn das "RL" keine saubere Konstante ist, dann gehört nämlich das Kaffee-Verschütten auf die Tastatur oder das Niesen auf den Bildschirm genauso zur virtuellen Bewußtseinssteigerung, wie die Fahndung nach schwierig zu entdeckenden Web-Seiten.

Interessant ist ein Phänomen, daß ich in einer Firma erlebt hatte, Alan Turing hätte seine Freude daran gehabt. Dort hatten die ein Programm im Einsatz, daß aus den Telefonaufzeichnungen die Zahlen 1 bis 24 einigermaßen schlecht herausfand. Die Leute wurden aufgefordert, am Telefon nun eine Weihnachtskalendertür zu öffnen, hinter der sich ein Gewinn verbarg. Die wenigsten haben trotz exakter Aufforderung - nämlich eine Zahl von 1 bis 24, zu sagen - richtig geantwortet. Viele fingen mit der Maschine dann irgendein Witzkram an, erzählten dem Kasten kleine Geschichten oder beschwerten sich darüber, daß genau diese Zahl nun falsch sei, die bei dem Telefonat zuvor aber richtig gewesen sei (wahrscheinlich hatte eine Freundin gewonnen, und nun wollte man auch gewinnen). Jedenfalls glaubten sie, daß die Maschine das überhaupt versteht.

Solange zwischen Mensch und Maschine nicht unterschieden werden kann, darf man sicher glauben, daß es sowas wie eine virtuelle Welt gibt, aber es ist eben nicht der Teufel, der die Eisenbahn von Nürnberg nach Fürth hinter sich herzog, und bei der Überschreitung von 40 km/h fliegt auch nicht das Gehirn einfach so raus.

Der alltägliche Umgang mit dem Internet steckt noch in einem ziemlich frühen Stadium, wie bei einem Kind, das gegen die Tür rennt und das dann sagt: "Auaa, du blöde Tür"









KriT: Vielleicht muß der Begriff "virtuell" mit zukünftigen Netzerfahrungen erst noch gefüllt werden. Als adjektiv hat er ja durchaus seine Berechtigung. Ein "virtuelles Unternehmen" bezeichnet eine neue Form der Organisation von Gewinn, die ohne zentralen örtlich gebundenen Firmensitz auskommt und mit Mitarbeitern arbeitet, die sich niemals vorher gesehen haben müssen. Entstehen hier neue Arbeits- und Kommunikationsformen, deren gesellschaftlichen Konsequenzen sich erst gerade abzeichnen?

Stefan: Von einem Unternehmen finde ich ganz interessant, wie das mit dem Internet gekoppelt wird. Es ist eine Bank. Der Kunde kann seine Buchungsvorgänge verfolgen und beobachten. Dadurch werden Abläufe in der Bank auch etwas transparenter, was natürlich auch ein Image ist, mit dem man auch in der Webung gut abschneidet. Dennoch würde ich den Ausdruck "virtuelles Unternehmen" eher als Werbegag akzeptieren. Das Unternehmen ist natürlich nicht virtuell. Ein Unternehmen mit einem Call-Center macht ja eigentlich das gleiche, aber eben über Telefon. Hier würde auch niemand denken, es sei "virtuell". Ob die Telefonistinnen und Dateneingeberinnen nun Telefonate oder Mails verarbeiten, ist dabei egal. Sie leisten die Vorarbeit. Dann beginnt die Sacharbeit, und die findet aber meist noch hinter verschlossenen Türen statt.

In der Zukunft könnte es anders aussehen, was bei einigen Firmen schon der Fall ist. Wenn ich das Personal nicht mehr in den Büros sitzen haben muß, sondern die über ihr Modem zur Arbeit gehen, ist das schon etwas anderes. Es bringt aber ein paar Probleme mit sich: Statt der Bezahlung nach Position und Arbeitszeit wird verstärkt nach Arbeitsleistung entlohnt. Es kann dann sein, wie z.B. in der Werbebranche, daß man 8 Stunden bezahlt bekommt, obwohl man 10-12 Stunden für die Firma gearbeitet hat. Für die, die sich engagieren und auch was leisten, wird es eine Chance werden, aber für die, die Dienst nach Plan machen, wohl kaum.

Durch ein sog. virtuelles Unternehmen wird eine Ausgrenzung derjeningen, die sich nicht in Ihrer Arbeitsweise umstellen können, verschärft. Ich befürchte auch, daß der Export der Arbeit mehr und mehr forciert wird, denn über das Internet ist die Entfernung nicht mehr gegeben. Auch das hat allerdings wieder Vorteile, denn in den ärmeren Ländern entstehen Arbeitsplätze. Es wird auf jedenfall einiges ganz schön durcheinander geraten und für die, die verlieren werden, wird "virtuell" ein Schimpfwort werden.

Ganz abgesehen von den düsteren Sichten hier, ich selbst bin mir da nicht so einig. Ein "virtueller" Arbeitsplatz über Modem käme meiner Faulheit entgegen. Meist habe ich eh keine Lust mit irgendjemanden zu reden (so ein Kollege begleitet einen ja 8 Stunden am Tag, das ist nicht zu unterschätzen). Es wäre natürlich ein Arbeitsplatz mit einem recht guten Computer (das ist schon mal ganz gut) und ich könnte auch irgendwohin an die Sonne fahren. Außerdem ließe sich die Arbeitszeit besser einplanen.

Ich hatte schon solche Jobs, da ging es zwar nicht über das Modem, aber über Disketten. Auf der anderen Seite fehlen mir dann wieder ein paar Leute um die Nase, mit denen ich zusammenarbeiten kann. Zusammenarbeit mit Kaffee und Herumalbern ist für mich immer sowas wie eine kleine Therapie. Allein vor der Tastatur, arbeite ich dann immer richtig, und das kann ja auch nicht gut sein. Aber, noch will ich mich nicht festlegen und probiere das weiter aus. Mir ist aber aufgefallen, daß das nicht unbedingt etwas für jeden ist. Viele nutzen die Arbeitszeit als geregeltes Leben, die wären ganz schön überfordert, wenn sie sich nun selbst kontrollieren müssten. Eine weitere Schwierigkeit: Durch diese Selbst- einteilung verschmelzen Arbeit und Alltag, mehr oder weniger. Aber das geht z.B. freien Journalisten sicher nicht anders. Man wünscht sich immer wieder einen Job ohne Ansprüche zurück: Einfach die Arbeit umschütten und dann nichts wie weg in den Feierabend.





KriT: Oben erwähnst Du Feinde im Internet. Wie handelst Du sie Dir ein und was tun sie?

Stefan: Da scheint es mehrere Wege zu geben.
Der 1. ist, "Ey du Arsch, hilf mir" oder "Ey du Arsch, mach mal", wenn man ein WebProjekt zu einem bestimmten Thema macht oder wenn man irgendwo ein kleines selbstgebasteltes Progrämmchen hingelegt hat. Die Netten sind ja meist ganz zufrieden mit dem Geschenkten und auch bereit mit eventuellen Mangelerscheinungen zu leben.

Der 2. Weg sind Mailinglisten. Sobald der Konsens angegriffen wird, gibt es verbitterte Kämpfe. Das haben wir beide ja vor kurzem im Forum Webkulturerlebt.

Der 3. Weg ist schon eher auf meine Art und Weise zu erklären, und nicht unbedingt durch das Internet. Statt über HickHack-Mails hinweg zu sehen (ist ja schließlich alles gar nicht real ;-), kann ich es einfach nicht sein lassen, und setz mich dann doch mit denen auseinander.

Das Internet ist eben voller Vorurteile. Hat man es geschafft, seinen Alltag einigermaßen von diesem weitverbreiteten und auch vielfältigen Klischee-Denken abzuschotten, platzen sie nun über die E-Mails wieder herein. Und da sind dann auch Sachen bei, die man glaubte, schon mit 16 hinter sich gebracht zu haben. Es kann einem durchaus passieren, daß man plötzlich in eine Runde stolzer Deutsche gerät, und es einfach zu spät bemerkt hatte, was die Ursache des merk- würdigen Mailklimas ist.

Der 4. Weg ist: Ich werde selbst zum Tier. Das ist dann meist dann der Fall, wenn ich auf das Hochhalten der deutschen Rechtschreibung stoße. Abgesehen mal davon, daß da meist kein Wort über den Inhalt fällt, bin ich eben empfindlich, wenn nicht gesehen werden kann, daß auch Legastheniker und Leute, die die Rechtschreibung einfach gar nicht ordentlich damals in der Schule gelernt haben, ihren Spaß im Netz haben wollen und nicht permanent darauf aufmerksam gemacht werden wollen, weil sie das schon als Kind wußten. Davon hängt bei vielen dann auch das Kulturverständnis ab. Wer nicht richtig schreiben kann, kann auch nicht richtig denken. Gegen soviel Dummheit auf einmal fällt mir nichts anderes mehr ein, als dem an die Kehle zu springen.

Der 5. Weg sind Gruppies. Leute, die einem permanent nur schmeicheln und die ich nicht so leicht loswerden kann. Das ist so wie mit ein paar Frauen in einer Firma, mit denen man schäkern muß, und Männer gibt’s natürlich auch, die als tolle Hechte bestätigt werden müssen. Wenn man das nicht macht, dann tuschelt es aber hinterm Rücken. Naja, aber das kennt ja auch jeder.
Jetzt habe ich denen doch schon wieder ein wenig Futter in die Näpfe geworfen.

Das alles sind natürlich keine richtigen Feinde. Sie tauchen mal auf, stänkern herum usw. Die meisten Mails von außen entsprechen eher einer der 5 Arten da oben. Und ich bin nun mal ein kleines Sensibelchen . Darum nenne ich sie auch meine ganz persönlichen "virtuellen" Feinde, um mal noch einen Nutzen aus diesem Adjektiv zu ziehen.

Feinde, Feinde, Feinde - ich hab natürlich auch Freunde und die sind meiner Meinung nach auch nicht nur virtuell.










KriT: Was sind das für Freunde? Wie gewinnt man sie?

Stefan: In diesem Gewusel von Leuten, bleiben einige hängen, weil sich da ein gegenseitiges Interesse abzeichnet. Erst ist dieses Interesse an kleinen Dingen und langsam wird dann ein Interesse an den Leuten selbst daraus. Vor allem aber lassen sie mich in Ruhe. Manchmal müssen einige zwar noch sagen, wo der Hammer hängt, aber so sind sie eben, und ich bin da auch nicht anders. Viele haben sowas ja schon im Gespür, auf wen sie anspringen und auf wen nicht. Leider habe ich sowas nicht, und gehe eben über das Feststellen eines gemeinsamen Interesses.

Ein generelles Konzept zum Freunde-Anlachen habe ich eigentlich nicht - außer eben nicht aufgeben. Manche Leute sind schwierig für mich, so wie ich für andere. Meine Freunde sind allesamt richtig schwierig. Vielleicht kommt daher auch, daß ich dieses "den Anderen nicht aufgeben wollen" als einen Hinweis verstehe, daß es sich um eine Freundschaft handelt. Kann natürlich auch sein, daß gerade diese Herangehensweise vorwiegend zu schwierigen Freunden führt - egal, ich mag sie trotzdem.

Was mir eigentlich noch nie so richtig gelungen ist, ich habe überhaupt keine Freunde (auch nicht im RL), die so in etwa das machen, was ich mache. Mit "Gleich und Gleich gesellt sich gern" hat sich da nichts. (Da gab es zwar mal Momente in meinem Leben, aber die sind dann doch eher zu privat.) Deshalb glaube ich, wie viele andere auch, daß man schnell zu Freunden (auch im Netz) kommen kann, wenn man nicht so sehr nach Gleichheiten geht. Das sieht natürlich auf der Geburtstagparty dann recht gemischt aus, aber bisher hat sich noch niemand so richtig bei mir beschwert.




KriT: Wir kennen uns ja jetzt schon recht lange im Netz. Wie hast Du eigentlich KriT kennengelernt und was hat es Dir gebracht?

Stefan: Wie du sagtest, das ist schon recht lange her und ehrlich gesagt, ich weiss es gar nicht mehr. Was ich dazu an Fragmenten noch im Kopf habe: Ich suchte irgendwas und kam auf Deine Website "Home". Die fand ich erstmal ganz nett und hab auch brav und artig alle Seiten abgesurft. Von da ging es dann irgendwie zu KriT und ich dachte, das machen mehrere Leute. Später habe ich erst geschnallt, daß du das alles, Home und KriT, alleine machst. Das hatte mir dann gleich Respekt eingeflößt.

Im Gegensatz zu Home hat KriT den Vorteil, daß die Leute hinter den einzelnen Projekten etwas hervorgehoben werden. Man macht ja gerne Feindstudium und fragt sich immer, warum des Nachbars Garten besser aussieht. Jedenfalls hatte ich mir all die Äpfel-Interviews durchgeackert, und bin dann auch auf die entsprechenden Seiten gegangen.

Was mich für meine eigene Arbeit beeinflußte, war die Gestaltung der Seiten. Ich meine jetzt nicht, welches GIF nehme ich und welche Hintergrundfarbe ist chic, sondern sich Gedanken darüber zu machen, wie der Haufen HTML sich so komponieren läßt, daß er einem nicht auf den Wecker geht. Das habe ich mir dann auch versucht anzueignen, nicht das Layout selber, aber das Layouten. So gesehen muß ich dir Recht geben, Design ist keine unwichtige Frage im Web.


















KriT: Ich habe Dich oft als Power-Webber erlebt, der voller Einsatz seine Projekte macht und sehr hilfsbereit ist. Gerade deswegen kommt manchmal die Frage auf, was für ein Mensch Du wohl im Real Life bist.

Stefan: Als Power-Webber? Das war mir selbst nie aufgefallen. Obwohl, das stimmt schon, ich bin hier seit 95 nur noch am Basteln. Allerdings kommt das auch durch die Projekte, wie etwa PhilNet. Das ist eine einzige riesige Baustelle. Wir hätten das mal "Under Construction" nennen sollen.

Mit der Hilfsbereitschaft habe ich auch meine Grenzen. Aber, das ist trotzdem das Spannende an der Webberei: Man will etwas machen, und es fehlt einfach an allen Ecken und Kanten. Es gibt viele Leute, die sich nach einigen Mails als recht günstige Partner erweisen. Erstaunlich ist dabei, daß es meist mit Flamerei anfängt, und dann findet sich doch ein Nenner auf dem sich etwas aufbauen läßt. Fast alle Möglichkeiten, die mir nun zur Verfügung stehen, sind durch Leute entstanden, die auch mal zuhören und mit anpacken können. Das finde ich eine schöne Sitte, wenn sie auch nicht gerade weit verbreitet ist, und deshalb verstehe ich sie als Kodex.

Im "Real Life" sehe ich das nicht anders. Ich muß mit den unterschiedlichsten Leuten zusammenarbeiten und es bringt nichts, außer Nervkram, wenn man nur auf Kontra geht. Ich finde es auch etwas bedauerlich, wenn sich eine Putzfrau bei der Arbeit mit irgendetwas abrackert, und alle laschen einfach daran vorbei. Ich finde, da bricht man sich keinen Zacken aus der Krone, mal die Mülltüte aufzuhalten.

Nicht daß ich es allen Recht machen will, ganz bestimmt nicht, aber es ist so eine Art Hobby geworden, nach Kooperationsmöglichkeiten zu suchen, sofern sie denn nützen. Das klingt jetzt etwas berechnend, ist es aber nicht.

Wenn ich mich beschreiben darf, dann würde ich mich als etwa 2 Meter große Zicke bezeichnen, die auf den ersten Blick in keiner Weise den Eindruck macht, kooperativ zu sein. Ich bin einer von denen, denen das auch noch Spaß macht. Dabei hat es eigentlich keine Methode, sondern ist nur eine Angewohnheit, wie das Rauchen. Das löst Probleme, bevor sie sich artikulieren können, aber schafft natürlich auch welche.

Ansonsten sehe ich mich immer in Griechenland, genauer: morgens im Athener Stadion. Seit geraumer Zeit sehe ich mich da sogar mit einem sündhaft teuren Laptop herumsitzen, meinen Job machen. Dieses Stadion ist recht eigenartig. Unten liegen einige Bühnenbauten herum, ein paar Leute machen da ihren Kram. Hier und da sitzt wer und hat ein Buch auf dem Schoß. Ein paar vereinzelte hauen kendo-mäßig mit ein paar Stöcken aufeinander ein, irgendwer repariert seine Mofa. Ganz Athen ist recht eigenartig, ein Mischmasch aus archäologischen Baugruben. An einigen nicht gerade zu erwartenden Stellen stehen etwas unbeholfene Säulen herum, drumherum ist der Alltag. Da, denke ich, passe ich prima rein.





KriT: So, der KriT-Apfel ist nun Deiner. Ich hoffe, er wird Dir köstlich munden ;-)

Besten Dank

Stefan: Nun darf ich es ja sagen: Hinter diesem Apfel war ich schon recht lange her, deshalb werde ich ihn mir lieber aufbewahren. Wenn ich mal alles hinschmeißen will, dann erst beiße ich da rein und werde mich an einen Freund im Web erinnern.