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Den Spekulanten zum Fraß

Interview mit Christoph Berndt, Homepagemacher und Aktivist gegen die drohende Schließung des Hafenkrankenhauses in St.Pauli.


KriT: Du gehörst zu den Aktiven, die sich für die Erhaltung des Hafenkrankenhauses im Hamburg einsetzen. Kannst Du uns kurz zusammenfassen, warum es geschlossen werden soll und welche Argumente dagegen sprechen?

Christoph: Das Hafenkrankenhaus, eine bisher rentabel arbeitende Hamburger Traditonsklinik steht vor dem AUS! Es geht nicht nur um 490 Arbeitsplätze, die Vernachlässigung eines armen Stadtteils oder die Schließung dieses Krankenhauses. Es geht vielmehr um den Abbau des sozialen Systems durch den Staat und die Einführung privatwirtschaftlicher Interessen auch in diesem Bereich. Die Krankenkassenbeiträge sind durch die Privatisierung ja nicht billiger, weil kostendeckender - effizienter, geworden, sondern wir haben durch den Werbekrieg der Kassen etliche Millionen Mark schon an die großen Agenturen verloren, um den Kampf der letzten neuen Kunden. Wir alle brauchen Gesundheitsführsorgen. Hier gibt es keinen freien Markt. Wenn wir uns hier jetzt nicht wehren und sagen: "Nun ist Schluß, wir lassen uns das nicht gefallen!", dann müssen wir uns damit abfinden, daß der nächste Arztbesuch den Besuch bei unserer Hausbank nach sich zieht.

Mit der Abkehr der Bundesregierung von der 1993 parteiübergreifend verabschiedeten Gesundheitsreform und mit den jüngsten gesetzlichen Neuregelungen für das Gesundheitswesen sind die Krankenkassen finanziell stark unter Druck geraten. Für Hamburg bedeutet das die Forderung des Abbaus von 2000 Betten in Hamburgs Krankenhäusern.

Das Hamburger Hafenkrankenhaus untersteht dem LBK (Landesbetrieb Krankenhäuser) Hamburg und war bis jetzt das einzige Krankenhaus des Landesbetriebes, daß mit einer durchschnittlichen Auslastung von über 90 Prozent Gewinn erwirtschaftet hat. Es hat eine wesentliche soziale Funktion für Hamburg, garantiert kostengünstige "High Tech"-Medizin in einem völlig unterpreveligiertem Hamburger Stadtteil und versorgt ca. 2500 akute Notfälle im Jahr. Wobei laut Schätzung des ärztlichen Direktoriums 10 Prozent einen weiteren Weg zum nächstgelegenen Hamburger Krankenhaus nicht überleben würden. Die finanziellen Gründe scheinen mir jedoch nur ein sehr vordergründiges Argument zu sein. Ernsthafte Alternativen zur Schließung des Hamburger Hafenkrankenhauses wurden seitens des Hamburger Senates nicht geprüft.

KriT: Hafenkrankenhaus! Hört sich ähnlich an wie Hafenstraße. Gibt es Parallelen?

Christoph: Die bundesweit bekannte Hafenstraße prägt ebenso wie das Hafenkrankenhaus das Bild St. Paulis, wobei die Bewohner der Hafenstraße von dem nahegelegen Krankenhaus profitieren und gleichzeitig ihre Erfahrung mit Bauspekulanten dem Erhalt dieser Traditionsklinik zur Verfügung stellen. Das Grundstück des Hafenkrankenhauses (Marktwert 220 Mio.) soll Investoren und Spekulanten zum Fraß vorgeworfen werden, spekulieren kann man hierbei, daß ein Hamburger Ex-Bausenator eine Rolle dabei spielt.

KriT: Aus welchen politischen Gruppierungen setzt sich der Protest zusammen? Gibt es Probleme, Differenzen? Wer betreibt z.B. das "Büro für notwendige Einmischung", welches zu den Initiatoren gehört?

Christoph: Das "Büro für notwendige Einmischung" hat sich bisher im wesentlichen um sog. "Immigrantenarbeit" gekümmert und ist eigentlich durch die sogenannten Hamburger Polizeiskandale bekannt geworden. Die Betreiber des Büros stehen der Hamburger Hafenstraße nahe und organisieren jetzt im wesentlichen die Montagsdemonstrationen, welche sich langsam zum festen Bestandteil der Hamburger Kultur entwickeln.

KriT: Was tut ihr Vorort und wie ist die Ressonanz bei den passiven Bürgern.

Christoph: Die Resonanz bei den Bürgern und Anwohnern ist durchaus positiv. Innerhalb von 14 Tagen kamen immerhin knapp 100. 000 Unterschriften für den Erhalt des Hafenkrankenhauses zusammen. Auf der Wählerwunschliste erscheint der Erhalt des Hafenkrankenhauses derzeit auf Platz 3 (nach Themen wie Arbeitslosigkeit und Kriminalität). Viele Kneipen und Geschäfte schließen mittlerweile Ihre Türen, um bei den Montagsdemonstrationen, welche immer größeren Zulauf bekommen, dabeisein zu können.

KriT: Du nutzt das WWW, um gegen die drohende Schließung mobil zu machen. Wie ist die Resonanz darauf? Was versprichst Du Dir davon?

Christoph: Von der Präsenz des Hafenkrankenhauses im WWW verspreche ich mir die Sensibilisierung von Personen, die auf konventionellem Weg schwer erreichbar sind. Es geht mir vor allen Dingen um die Nutzung eines recht modernen Mediums, wobei die Resonanz durchweg positiv ist. Sie ist vielleicht etwas zu positiv, da die Beantwortung zahlreicher "elektronischer" Briefe doch etwas auf Kosten der eigentlichen Qualität geht. Positive Signale kamen auch aus den USA, wo sich ein Freund des Hafenkrankenhauses bereit erklärt hat, die Texte in das US-englische zu übersetzen. Allerdings wurden von den Unterschriftenlisten im WWW bis jetzt recht wenig Gebrauch gemacht.

KriT: Welche Vor- und Nachteile von politischer Aktivität im Web siehst Du?

Christoph: Die Vorteile des Web im Bezug auf politischer Arbeit liegen ganz klar in der Struktur des Internet. Jeder hat die Möglichkeit seine politische Meinung frei zu äußern und für bestimmte Strukturen zu "werben". Der Nachteil dieser gigantischen Möglichkeit "Internet" liegt in der Tatsache begründet, daß einzelne Gruppierungen dieses Medium in gewisser Weise mißbrauchen. Damit gewinnen Webseiten, die zum Beispiel zum Rassenhaß aufstacheln immer mehr an Boden! Ich meine das nicht im Sinne einer gewissen "political correctness", die sich lähmend auf unsere politische Kultur auswirkt, sondern eher im Hinblick auf die Gefahr, die diese absolute Meinungsfreiheit darstellt.

KriT: Du hast auf Deinen Seiten auch eine Liste der Unterstützer. Dort sind verschiedene Banner aufgelistet. Als Unterstützer zeigen sich z.B. eine sexuell orientierte Kontaktbörse, Wissenschaftler, private Homepagemacher und Dienstleister verschiedenster Coleur. Ist das Ausdruck eines gemeinsamen Protests quer durch alle Interessengruppen oder sah man hier eher ein gute Gelegenheit, auf sich aufmerksam zu machen? Immerhin ist Deine Page ja in den Top Ten von WebHits.

Christoph: Die Liste unserer Unterstützer gliedert sich wirklich in zwei unterschiedliche Bereiche. Auf der einen Seite diejenigen, die natürlich versuchen ihre eigenen "Zugriffszahlen" zu erhöhen, auf der anderen Seite jene, die sich mit dieser Internetaktion "solidarisch" erklären. Das läßt sich nicht trennen! Die Unterschiede von "vituellen" und "reallife" Protesten sind dafür einfach zu erheblich. In Hamburg unterstützen die vielfältigsten Interessengruppen den Protest gegen die Schließung des Hafenkrankenhauses. Es sind unter anderem der FC St. Pauli, zahlreiche Kneipen, die Huren der Davidstraße, Schauspieler, Obdachlose, Politiker verschiedenster Coleur, die Hafenstraße usw.

KriT: Was machst Du sonst noch im Leben, außer Dich politisch engagieren?

Christoph: Eigentlich ist politisches Engagement bisher bei mir eher zweitrangig gewesen, durch eine Famulatur im HKH bin auf den sozialen Brennpunkt "St. Pauli" aufmerksam geworden und habe diese soziale Einrichtung am Hafen schätzen gelernt. Ich bin zur Zeit noch Student der Medizin in Hamburg und schreibe an meiner Dissertation.

KriT: Wie hast Du KriT entdeckt und was denkst Du über das Projekt.

Christoph: KriT habe ich durch Zufall kennengelernt - es gehört für mich inzwischen zu einem wesentlichen Bestandteil meiner persönlichen Webkultur und versetzt mich immer wieder in Erstaunen! Hier ein wenig zu stöbern, oder Informationen zu suchen macht einfach Spaß. Macht weiter so!

KriT: Danke für das Lob und das Interview. Das letzte Wort gehört Dir.

Christoph: Tja, das letzte Wort! Ich suche dringend „Webbewohner", die Interesse haben gemeinsam mit dem Hafenkrankenhausseiten einen Verbund zu gründen. Kritik, Hilfe und Ergänzungen zu meinen Seiten sind immer willkommen. Vielen Dank für die Möglichkeit mein Projekt bei KriT kurz darstellen zu dürfen.