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Per:verse sind überall

abiszet, kg und kiriko berichten in ihrer ganz eigenen Weise, wie sie ohne Kapital aus literarischen Versen eine astreine multimediale CD-ROM gemacht haben.



 

KriT: Vor ein paar Jahren habe ich Eure literarische Website www.seelenmuell.de in KriT vorgestellt. Vor kurzem nun bekam ich von Euch eine interaktive Flash-Praesentation namens »per:verse sind überall«, auf der dieser alte Kommentar verewigt ist *freu*. Grund genug zu fragen, was in den letzten Jahren passiert ist und wie es zu der auch erstklassig verpackten CD-ROM-Produktion kam.


abiszet: als ende 1997 www.seelenmuell.de online ging, war dies zunaechst die zusammenfassung von wirren und verwirrten arbeiten seit 1996. alles hatte damit angefangen, dass bern.hard und ich aufhoeren wollten zu rauchen. anstatt zu smoken, zeichnete er eine illustration und ich schrieb eine kurze episode. das machten wir ein jahr, bis pixelmann (im wirklichen leben heisst er bernd) unsere arbeiten sah und meinte »per muss ins netz!«. (anmerkung: per folglos ist der held der episoden) vorher wurden die texte komplett überarbeitet, teilweise neu geschrieben, denn manches war doch sehr rudimentaer. einige episoden wurden gnadenlos geloescht. es war nicht einfach, mich davon zu trennen, aber letztlich war es gut so.

bernd arbeitete am auf schwarz-weiss reduzierten internet-auftritt, waehrend bern.hard und ich ueber den namen diskutierten. eines morgens – wir rauchten beide wieder – grummelte er »seelenmuell! was wir machen, ist doch seelenmuell!« er sah dabei ungluecklich aus, aber das war’s doch! ob text oder illustration – es kam in der kurzen zeit einer zigarettenlaenge einfach aus uns heraus, nur beinflusst vom unterbewusstsein, so hatten wir jedenfalls den eindruck. konsequent dazu paßt die optische umsetzung im netz. aus texten wurden bilder, gesteuert durch eine uralte schreibmaschinentastatur. veredelt wurde der internet-auftritt durch eine handgefertigte buchversion, produziert in der sensationellen auflage von 4 exemplaren!

1998 begegnete mir kg mit ein paar kreativen tintenspritz-ausdrucken. wir fanden uns gleich sympathisch und er interessierte sich fuer seelenmuell – unser erstes gemeinsames projekt wurde dann »mach dir den per«

kg: ja, es war ein limitiertes weihnachts_puzzle. schon damals legten wir wert auf eine ungewoehnliche verpackung (plexiglasbox in einem alu_warmhalte_behaelter + klappkarte)


»...dafuer ist keine aktualisierung notwendig, denn der inhalt entsteht bei jedem user immer wieder neu.«
 

abiszet: nach der online-schaltung schrieb ich natuerlich weiter texte, aber seelenmuell.de wurde nur einmal, anfang 1998, aktualisiert und ist daher ein monument im netz: maechtig. starr. unbeweglich. daher verhaelt sich die seite sehr anachronistisch: denn das internet soll ja immer wahnsinnig schnell, abwechslungsreich und vor allem stets neu sein. aber egal, wie die zeit verangeht, es wird immer spannend sein, seelenmuell.de anzuschauen, sich durch texte und illus zu klicken und sich so eine ganz eigene geschichte zusammen zu stellen. dafuer ist keine aktualisierung notwendig, denn der inhalt entsteht bei jedem user immer wieder neu.

kg: zur sonnen_finsternis im letzten sommer ist per dann auf seelenmuell.de verschwunden, etwa zeitgleich wurde die idee einer neuen heimat fuer unseren »helden« geboren. dieses mal sollte die gesamte episodologie (39 verse) auf einer cd_rom interpretiert & visualisiert werden. in den folgenden wochen und monaten nahm die idee dann immer konkretere formen an. bilder, sounds, videos und sogar ein exklusiv programmiertes flash_spiel kamen hinzu. aus einem groben entwurf wurde eine schnuckelige behausung mit balkon, garage (inkl. saab!), sauna und einer schicken schleife drum_herum.


KriT: »per:verse sind ueberall« ist mit Flash produziert? Wie lange hat das gedauert und wo liegen die Vor- und Nachteile von Flash?

kg: zwischen idee und fertigstellung liegen etwa 6 monate. da die cd_rom ein reines freizeit_projekt war, haben mein schlaf & stellenweise auch meine freundin darunter »gelitten«. aber ohne diese begleit_erscheinungen haette das ganze nur halb soviel spass gemacht. ;-)

macromedia flash ist ein vektor_basiertes animations- & authoring_tool, deshalb hat es sich fuer unser projekt geradezu angeboten. denn schrift ist letzten endes nichts anderes als vektor_grafik (sie pixelt nicht beim skalieren). dank der vektor_basierten technik lassen sich bei kleiner datei_grosse unglaubliche ergebnisse erzielen (per:man ist hierfuer ein beispiel).

die »per:verse cd_rom« hatte auch etwas von einem experimentellen abenteuer, bei dem ich an so manche grenze gestossen bin. dank kiriko (dem vater von per:man), haben wir jedoch immer eine akzeptable loesung/alternative gefunden.


»und dennoch ist flash mit abstand das beste, was dem web passieren konnte.«
 

ein grosser nachteil von flash ist, dass sich video_daten nur ueber umwege (wie director) einbinden lassen, die scriptsprache ist fuer manchen programmierer sicherlich umstaendlich und auch im umgang mit pixel_daten (also bildern) gibt es noch erhebliche schwaechen.

und dennoch ist flash mit abstand das beste, was dem web passieren konnte. ein tool, das programmierer und gestalter zusammen_fuehrt. ausfuehrliche infos zu flash gibt es unter www.macromedia.com und den beiden exzellenten user_foren www.flashworker.de und www.flashforum.de.


KriT: Wenn ich mir »per:verse sind ueberall« anschaue, dann sehe ich hier den Text- und dort den Flashkuenstler. Wie haben sich denn beide bei der Produktion vertragen? Und was war ueberhaupt das Schwierigste und Schoenste bei der Erstellung?

kg: die ausgangs_situation haette fuer mich kaum besser sein koennen. die verse lagen mir in digitaler form vor und gestalterisch hatte ich quasi absolute freiheit.

abiszet: genau, fuer mich war es genauso ideal: die texte waren nunmal schon da, sie spielen den ton an und kg konnte seiner kreativitaet freien lauf lassen. ich habe mich eher als coach, als sparringspartner, als freundlicher kritiker, als input-geber, mutmacher, als vater der per:versen gesehen. besonders witzig war unser foto-shooting, bei dem wir ueberall per:verse versteckten und entdeckten. spannend war auch unser gemeinsames ringen um die interpretation der per:verse. ich hatte manchmal schon andere vorstellungen als kg. aber letztlich haben wir immer einen konsens erzielt, ohne dass dabei einer von uns seine meinung aufgeben musste.

kg: die schwiergkeit lag fuer mich in der einhaltung der deadline (welche wir uns gesetzt hatten), denn das projekt wurde immer umfangreicher. in den beiden letzten wochen hatte ich taeglich etwa 3-4 stunden zu wenig schlaf. eine besondere herausforderung war auch mein vorhaben jeden der 39 verse individuell zu behandeln, dies war wahnsinng zeit_intensiv und das end_ergebnis gestaltete sich nicht immer zu meiner vollen zufriedenheit.

schoene momente gab und gibt es viele, das foto_shooting, die unzaehligen gespraeche, die unermuedliche unterstuetzung durch kiriko (1000 dank!), per:man, die tollen videos von fiezi, das finish_product, die ersten feedbacks...


KriT: Ihr habt auf der CD-ROM auch eine Version des Spieles Pacman names per:man erstellt. Ein Spiel, das suechtig macht. Wie macht man sowas mit Flash und wie kommt man auf die Idee, dieses Spiel geradezu philosophisch zu wenden und dabei fuer Spass zu sorgen?

kiriko: das freut mich natuerlich sehr, wenn es spass macht. vielen dank! als ich die in schwarz-weiss gehuellten verse von abiszet ueber das leben des per und seiner liebenswerten angora kanalratte mit faszination gelesen hatte, war pac-man vom ersten augenblick an mein favorit. und bekanntlich sind die ersten einfaelle immer die besten, und haben eher wenig mit philosophie zu tun.


»am ende tummelte sich der erwachsene per:man in neun levels und etwa 3000 zeilen actionscript-code.«
 

der zeitlose klassiker von 1980 schien geradzu ideal geeignet, um die kleinen dinge und taeglichen ereignisse aus dem leben des per in einem spiel aufleben zu lassen, wobei als zusaetzlicher reiz fuer mich noch hinzukam, dass es zu diesem zeitpunkt offensichtlich keine pac-man variation in flash gab, zumindest war uns damals keine bekannt (mittlerweile gibt es auch einige clones).

der spiel-entwurf und das erste zaghafte herumlaufen des neugeborenen per:mans, im eigens dafuer geschaffenen laufgitter, war nach ein paar stunden fertig. die fordernden blicke und der tatendrang eines »zehn-tage-alten« per:mans liessen neue levels und abenteuer entstehen. am ende tummelte sich der erwachsene per:man in neun levels und etwa 3000 zeilen actionscript-code. auch programmieren kann manchmal suechtig machen :o)


KriT: Der Held Eurer Geschichten heißt Per Folglos. Was erleidet er?

abiszet: ja, per leidet gern! er ist aus einem roman von paul auster gefallen und muss sich nun in der wirklichkeit zu recht finden. dabei onaniert er oeffentlich, raucht pest lights und schweigt beharrlich, denn worte koennen traenen sein. seine einzige rettung ist seine freundin nana ive, die ein bisschen glueck in sein leben bringt.


»ich glaube, ich habe mir eher einen freund erfunden.«
 

per folglos ist eine sehr per:soenliche figur. ich habe manchmal von ihr getraeumt. und ich habe mich immer besser gefuehlt, wenn ich an ihn dachte. ueber per zu schreiben, hiess fuer mich, in eine andere welt einzutauchen. das bedeutet aber nicht, dass per autobiographisch zu interpretieren waere. obwohl auch meine einzige rettung meine freundin heike ist. ich glaube, ich habe mir eher einen freund erfunden. ein freund, der mir in dieser form gefehlt hat.


KriT: Ueberhaupt finde ich das konsequente Wortspiel mit »Per« richtig klasse. Zum Beispiel verschiebt eine andere Betonung von per:verse den Sinn. Das zeigt Spass an der Sprache. Gehoert dazu auch der Hang, surrealistische Texte zu schreiben?

abiszet: ich weiss nicht, ob man die texte surrealistisch nennen kann. es ist die einzige ausdrucksfrom, die mir moeglich ist. eine geeignete schublade dafuer ist mir nicht bekannt. sind die per:verse moeglicherweise einzigartig? nein, ... mir geht’s darum, dass texte nicht einfach nur konsumiert werden, sondern geschriebene worte und die damit verbundenen gedanken respektiert werden. man muß die texte eben auf sich wirken lassen. mit seele und verstand lesen. und vor allem denken. aber das faellt wohl manchen schwer. leichter wird’s auch nicht durch die vielen wortschoepfungen und -verdrehungen.


KriT: Literatur, kombiniert mit Video, Flash-Animation und Sound: Eine neue Chance, Literatur von unten bekannter zu machen?

abiszet: meinst du literatur von unten, im sinne von underground? oder meinst du, dass wir von unten die literatur bekannter machen? nun, ich fuehle mich ziemlich weit oben, habe zusammen mit kg ein projekt realisiert, das sehr aussergewoehnlich ist. von daher schaue ich von oben auf die anderen herab. :-)))


»ein weiterer konsequenter schritt waere, die texte von verschiedenen kuenstlern ... interpretieren zu lassen. ein heimlicher traum von mir ...«
 

oben? unten? fuer mich gibt es das in der literatur nicht. es gibt nur literatur, die bewegt. und ich denke, dass die vielfaeltigen moeglichkeiten nicht genutzt werden. literatur ist und war schon immer elitaer, es zaehlt der inhalt. die form wird voellig vernachlaessigt, obwohl sie teil des inhalts ist. und meine meinung ist: inhalt ohne form ist nichts!

natuerlich spiegelt die cd_rom eine voellig subjektive kuenstlerische interpretation der per:verse wider. aber so kann man die texte fast schon atmen, es entstehen bilder im kopf (ohne zu viel vorzugeben), das werk lebt viel mehr als wenn es zwischen zwei buchdeckel gepresst wuerde und man nen tollen umschlag dazu gestaltet. ein weiterer konsequenter schritt waere, die texte von verschiedenen kuenstlern (mit verschiedenen ausdrucksformen, beispielsweise auch musik, sprache) interpretieren zu lassen. ein heimlicher traum von mir ...

kg: das projekt ist fuer mich eher eine zeit_gemaese interpretation von literatur, ein versuch, ungewoehnliche geschichten auf eine ungewoehnliche weise erfahrbar zu machen, zudem ist es ein herrliches mittel um kommunikation auszuloesen. in wie weit sich dieses konzept auf andere werke uebertragen laesst, bleibt abzuwarten... denn unter kommerziellen aspekten betrachtet ist »per:verse sind ueberall« virtuelle masturbation: ein produkt, das in der freien wirtschaft nie haette realisiert werden duerfen.


KriT: Verkauft sich Euer Werk schon und wo kann man die CD-ROM bestellen? Gibt es im Web bereits einen Vorspann, der auf den Geschmack bringt?

abiszet: bisher haben wir nur alle beteiligte mit belegexemplaren beglueckt und die cd_rom an menschen geschickt, deren meinung uns wichtig ist. jetzt wollen wir einen presse:versand machen und an dem einen oder anderen multimedia-wettbewerb mitmachen. aber gegen kaufinteressenten wehren wir uns natuerlich nicht.

kg: so ist es! die cd_rom kann man unter perverse@key-visual.com fuer 19,99 dm (zuzueglich 3.-dm porto) bestellen. einen vor_geschmack gibt es unter: www.key-visual.com/per/index.shtml


KriT: Zu Euch beiden: Stellt Euch vor, ihr wollt einem Unbekannten ein treffendes persoenliches Bild von Euch vermitteln. Was schreibt Ihr?

kg: maennlich | 23 | apfel_liebhaber (mac_user) | flash_freak | tontraeger_junky | cineast | e_mail_fetischist | y2k_kompatibel | workaholic | www.key-visual.com | ansonsten ganz nett.

abiszet: vor allem das ganz nett kann ich gleich bestaetigen. ich koennte es mir ja jetzt auch so einfach machen und nur ein paar stichworte geben. nein, nein, das muss nicht sein! zunaechst die aeusserlichkeiten: mit meinem schwarzen ledermantel kombiniert mit glatze und brille mit roten glaesern sehe ich angeblich wie ein verbrecher aus. mein lebenswandel findet sich in per:man wieder, dabei nicht beruecksichtigt: ich bin fussball-freak (vor allem vfb stuttgart) und lindenstrassen-glotzer. peinlich, oder? meine ironie wird oft mit arroganz verwechselt, ich bin per:manent vergesslich, unselbstaendig und komme mit den ganz normalen dingen des lebens oft nicht zu recht.


KriT: Zuguterletzt die Bitte, unsere Leser auf einen kleine kommentierte Surftour mitzunehmen.

kg: www.wallpaper.com: gigantisches flash_design & innovative benutzer_fuehrung.
www.rosebudmagazine.com/: ungewoehnliches design_magazin fuer dich und mich
www.antidot.de/eyesaw/: geniale free_fonts + irre gestaltung

abiszet: immer wieder gerne schaue ich www.moreea.com an. du kennst ja wodile auch. seine lyrik gefaellt mir sehr gut. die gestaltung seiner seite ist gelungen. obwohl ... vor jahren war sie ja mal schwarz. fand ich auch toll.
zum stoebern ist der internet-literatur-webring www.bla2.de sehr geeignet. dort habe ich auch www.thing.de/perspektive/ entdeckt. die sind ja eigentlich verpflichtet »per:verse sind ueberall« als fortsetzungsgeschichte in ihren heften fuer zeitgenoessische literatur zu veroeffentlichen, oder?


KriT:Aber klar! *unterstuetz* Vielen Dank fuer das Interview. :-)


Seelenmuell



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