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Sofaphilosophen

Peter Praschl ist Journalist und Initiator des Ezines »Sofa - A virtual hangout«. Im Interview erzählt er über Philosophie und Motive seiner Webarbeit.


 

KriT: Du machst mit Freunden und Bekannten ein Ezine namens Sofa. A virtual hangout. Was bedeutet der Name und wie ist das Projekt entstanden?

PP: Der Name ist Metapher dafür, was die Website sein will - ein Platz zum Abhängen. Im Offline-Leben sind Sofas menschenfreundliche Orte. Man sitzt oder liegt bequem, erzählt einander Geschichten, beurteilt die Welt aus der stabilen Rückenlage. Auf Sofas ist man entspannter und meistens auch intelligenter als auf Bürostühlen, in Discos, in Meetings oder im Fernsehen. Auf Sofas mäandern Gespräche. Das alles gilt hoffentlich auch für das virtuelle Sofa.

KriT: Wie ist das Projekt entstanden?

PP: Der Plan zum Sofa kam, wie viele der besseren Pläne kommen: einfach so. Zuerst war die Metapher da - "Wäre es nicht schön, eine Website namens Sofa zu haben?" Der Rest ergab sich. Wir mussten der Metapher bloß folgen. Auf Sofas liest man zum Beispiel Bücher - also gibt es auf dem Sofa eine Stiftung Sofatest. Auf dem Sofa erzählt man Geschichten - also erzählen wir welche. Auf dem Sofa hängt man Erinnerungen nach - also gibt es bei uns das Erinnerungs-Projekt Sieben. Und so weiter...


KriT: Wie beschreibst Du das Themenspektrum von Sofa?

PP: Die Themen sind weniger wichtig als die Sprechweisen. Auf Sofas wird ja über alles gesprochen, aber eben auf bestimmte Weise - labyrinthisch zum Beispiel, unterhaltsam, ausufernd, Launen folgend. Statt verkündend, autoritativ, auf einen bestimmten Zweck hin.

Eines der Probleme des gegenwärtigen Journalismus (ich bin Journalist) besteht darin, dass er die Wirklichkeit meistens als Beleg, Indiz, Illustration missbraucht. Die Geschichten, die er erzählt, dienen der These, dem Programm, der Propaganda. Das Sofa ist ein Gegenmodell dazu: Man erzählt einfach Geschichten, auch die periphärsten. Bei uns berichtet zum Beispiel Arne Boecker in seinen Obernkirchen Chronicles darüber, wie es ist, in Obernkirchen (Provinz...) zu leben, wer dort in welchem Schwimmbad schwimmt, welche Zeitungen man im Dixi-Supermarkt bekommt usw. Für Journalisten wäre das nicht berichtenswert - weil es angeblich nirgendwo hinführt, jedenfalls nicht auf Generalthesen. Mir erscheint aber, dass die Obernkirchen Chronicles viel wahrhaftiger (natürlich nicht "wichtiger") sind als das meiste, was Journalismus produziert.

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Aus ähnlichen Gründen sind die meisten Texte auf dem Sofa aus Ich-Perspektiven geschrieben: das hat nichts mit Eitelkeit oder Exhibitionismus zu tun, sondern eher mit Bescheidenheit: ein Ich ist immer nur ein Ich, kein man.


KriT: Sofa lebt von einem Team leidenschaftlicher und professioneller Schreiber.

PP: Nicht alle Sofisten sind professionelle Autoren. Kritzinger ist Ethnologiestudentin, Kung Shing Bildredakteur und Fotograf, Knecht Internet-Berater. Auf dem Sofa geht es auch darum, dass Menschen schreiben, die nicht davon leben.


KriT: Wie habt Ihr Euch gefunden und wie charakterisierst Du Deine Leute in einem Satz? ;)

PP: Sofa sollte von Anfang an etwas Kollektives sein, ein Ort für verschiedene Stimmen und Sprechweisen. Die dabei sind, würde ich gerne auch auf Parties oder zum Kaffeetrinken einladen. Da das schwer geht (die Sofisten leben in Hamburg, München, Berlin, Wien und Obernkirchen), findet die Party im Netz statt. Übrigens habe ich zwei der zehn Sofa-Beiträger noch nie leibhaftig gesehen.

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Wie Sofisten sind? Man möchte gerne mit ihnen abhängen, reden, Burt Bacharach-Songs hören, wispern, bullshitten, die Welt verachten und manches in ihr umso mehr lieben...

Im übrigen castet das Sofa neue Mitglieder. Ich hätte zum Beispiel gerne jemanden unter uns, der nur in Bildern erzählt. Oder jemanden, der die Vögel liebt und darüber berichtet. Oder eine, die heftig träumt. Oder jemand ganz anderen. Das Netz könnte ein Raum sein, in dem die verschiedensten Menschen einander über den Weg laufen - anstatt lauter Gleiche. Wer also Teil einer Bewegung sein will, die keine Bewegung sein will, ist herzlich eingeladen, sich ihr anzuschließen und mir zu schreiben.


KriT: Sofa ist augenfällig ein Designsofa. Die Layouts und die Bildauswahl zeugen von professionellen Ansprüchen. Wer macht bei Euch das Webdesign und welche Software wird eingesetzt?

PP: Danke für das Kompliment, aber es ist nicht berechtigt. Ich gebe mir bloß Mühe, das Sofa zu einem Ort zu machen, an dem man sich gerne aufhält. Das Design stammt von mir, und ich bin kein Designer, schon gar kein professioneller. Ich habe vor gerade mal 15 Monaten begonnen, mir HTML und CSS beizubringen, und zwar mit SelfHTML. Was ich über Webdesign weiß, stammt im wesentlichen von Jeffrey Zeldman. Die Software, die ich verwende, ist meistens das geniale Programm Alpha, für die Skizzen und die (möglichst sparsam eingesetzten Javascripts) benutze ich Dreamweaver, zur Bildbearbeitung und für die Headlines Photoshop, zur HTML-Konvertierung Hyperize. WYSIWYG-Editoren gehen eher auf die Nerven, weil sie doch nicht machen, was man von ihnen will.


KriT: Die kleine Schriftgröße wirkt etwas ungemütlich, testet Ihr Eure Seiten mit dem PALM? *g*

PP: Ach ja, die Schriftgröße. Wir verwenden für die Laufschrift eine 10 Punkt-Verdana, deren Größe wir allerdings absolut mit 10 Pixel festgelegt haben. Wenn es Standards gäbe, auf die man sich verlassen könnte, wäre das nicht nötig. Wenn man nicht will, dass Websites unter Macintosh und unter Windows, unter dem Communicator und dem Explorer unerträglich verschieden aussehen, müsste man nicht zu CSS-Befehlen Zuflucht nehmen, die der HTML-Ethik zuwiderlaufen. Das Problem bei der Verdana besteht darin, dass sie in 11 Pixeln nicht wirklich größer aussieht als in 10px, aber in 12 px viel zu groß (für uns) wirkt. Warum das so ist, würde ich auch gerne wissen

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KriT: Wo fängt gutes Webdesign an und wo hört es auf?

PP: Keine Ahnung. Ich bin nicht besonders puristisch in diesen Dingen. Was das Sofa betrifft, auf dem ja viele und auch sehr lange Texte stattfinden, geben wir uns Mühe, verständlich navigierbar zu sein, die Ladezeiten in Grenzen zu halten, plattform- und browserkompatibel zu sein und durch das Design nicht von dem abzulenken, was erzählt wird.


KriT: Eure Seiten liegen bei Ecce Terram von Frank Simon. Wie landet man bei einem Internetexperten der ersten Stunde?

PP: Durch einen glücklichen Zufall. Die Domain, auf der das Sofa untergekommen ist, ist Stefan Knechts www.digitalien.org, die immer schon auf Ecce Terram lag. Für diesen Zufall und Frank Simons Gastfreundschaft bin ich immens dankbar.


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KriT: Seit wann nutzt Du das Internet und willst Du es noch lange tun? Warum?

PP: Erstens: Seit Netscape 1.0 (war das 95 oder schon 94?). Zweitens: Bis ich tot bin. Drittens: Merkwürdige Frage. Das Internet ist eine der beglückendsten Erfindungen der Menschheitsgeschichte - daran ändern nicht einmal Hundefutter-Portale etwas.


KriT: Kannst Du Dich, Deine Vita und Zukunftserwartungen in ein paar packende Sätze packen, so dass wir inspiriert auf unsere eigenes Leben schauen? ;)

PP: 27 Jahre Österreich, 1 Jahr München, 13 Jahre Hamburg. 18 Semester Philosophie, 3 Jahre "Wiener", 8 Jahre "Stern", 5 Jahre "Amica", 18 Monate "Sofa". 22 Jahre Miles Davis, 20 Jahre Karl Marx, 7 Jahre Meike Winnemuth - and still counting.


KriT: Bevor ich es vergesse: Es gibt ein Buch von Dir und der CO-Autorin Meike Winnemuth auf dem Markt. Etwas dazu zu sagen, ausser, dass wir es kaufen sollen, um unsere Liebesbeziehungen zu retten?

PP: Das Buch enthält auch jede Menge Argumente, Liebesbeziehungen nicht zu retten...


KriT: Zuguterletzt unsere Surftipfrage: Welche Websites finden sich in Deinem aktuellem Linkticker erbarmungslos kurz auf den Punkt gebracht?

PP: Die Euroranch: Jeden Tag ein guter Song. Der PDA Geek: Portable ideas. Blackandwhiteandblue: Plötzlich - eine Stimme. Das Zentrale Verzeichnis Antiquarischer Bücher: eCommerce, wie ich ihn mir wünsche. popo.at: Haider-Watch. atrecordings: Musik für Sofas. Jungle World: Die beste Wochenzeitung. Und dieses Gemälde von John Constable.


KriT: Vielen Dank für das Interview



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