Antwort
Rahvin
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Frage: Was wäre am 11.9. Deine erste Amtshandlung als Bundeskanzler gewesen?
Eine Verlautbarung über das Geschehene; eine Verurteilung des terroristischen Aktes; Anbieten humanitärer Unterstützung durch THW, Polizei, Rotes Kreuz und staatliche Einrichtungen. Große Maßnahmen konnte man nicht setzen, und sie wurden auch nicht gesetzt. Im späteren Verlauf hätte ich die USA vor Vergeltungsschlägen gewarnt, da diese nichts einbringen würden als eine Eskalation der Situation im Nahen Osten und eine Ausweitung des Konfliktes auf globaler Ebene.
 
Frage: Wie vertrauenswürdig ist Presse und Fernsehen?
Presse und Fernsehen sind quotenabhängig und dementsprechend sensationslüstern. Desweiteren unterliegt die Medienlandschaft mittlerweile einer Zensur, wie man an U. Wickerts politisch erzwungener Entschuldigung vor kurzem sehen konnte. Von daher ist vor allem das Fernsehen als Massenmedium eher wenig vertrauenswürdig.
 
Frage: Welche Zweifel bestehen an der Schuld Osama bin Ladens?
Meiner persönlichen Einschätzung nach steht er zumindest als einer von vielen hinter den Anschlägen. Aber zwingende Beweise wurden bislang noch nicht vorgelegt. Fadenscheinige Erklärungen ob "Drogenhandels" und "Terroristencamps" bringen eben keine neuen Erkenntnisse und beweisen gar nichts. Höchstens, daß die Politiker schon längst nur noch das Volk regieren, nicht mehr "für" das Volk regieren.
 
Frage: Wie würdest Du die Taliban bekämpfen?
Ich würde sie primär einmal nicht bekämpfen. Entwicklungshilfe und humanitäre Leistungen durch staatliche Organisationen bringen mehr Erfolg. Die religiösen Trägervereinigungen haben in der Hinsicht wenig Chancen, aber auch durch politische Isolation kann man den Taliban verständlich machen, daß es nicht angeht, einen islamisch-fundamentalistischen Staat in dieser Form zu führen.
 
Frage: Rasterfahndung als Rassismus der politische Elite?
Dass sich Menschen schon dadurch verdächtig machen, dass sie sich eben nicht verdächtig machen, das ist schon ein verdächtig dämlicher Argumentationsansatz. Einen Polizeistaat hatten wir schon einmal; dass dieser Vorschlag von Schily, einem Ex-Grünen kommt, finde ich allerdings verdächtig verdächtig.
 
Frage: Schily, Scharping, Schröder, wer hat warum das Bundesverdienstkreuz verdient?
Schily hat es sich verdient, weil er bewiesen hat, dass er der größte Wendehals ist, den die Welt je gesehen hat. Vom Grünen zum rechten Roten innerhalb weniger Jahre. Das ist beachtlich.
Scharping, weil er es geschafft hat, die Bundeswehr trotz Regierungskoalition mit den Grünen immer wieder für humanitäre Zwecke in Krisengebiete zu schicken und so die Situation dort ein wenig zu verbessern, so dies überhaupt möglich ist.
Schröder hat es verdient, weil er der Kanzler ist, der es geschafft hat, mit den Grünen gemeinsam eine funktionierende Regierung aufzustellen, der auch in der jetzigen Situation kühlen Kopf zu bewahren scheint. Überschnelle Reaktionen a la Tony Blair, der unseren amerikanischen Freunden in den Arsch kriecht, wo es nur geht, bleiben aus. Auch durch Verzögerung von Zusagen kann man Zeichen setzen.
 
Frage: Welche Ursachen hat der WTC-Anschlag?
Tiefer liegende. Usama Bin Ladin ist nicht von Grund auf schlecht. Der WTC-Anschlag hat also nichts mit Bosheit zu tun, auch wenn es ein hinterhältiger und menschenverachtender Terroranschlag war. Die Amerikaner gefallen sich in der Opferrolle gut und versuchen nun, größtmögliches Kapital daraus zu schlagen und ihre Militäroperationen zu legitimieren.
Die Präsenz der Amerikaner in der Golfregion ist den Arabern ein Dorn im Auge. Die Hilfe im Golfkrieg war willkommen, aber noch immer sind dort Truppen stationiert, vor allem in Saudi Arabien, wo die heiligen Stätten der Moslems liegen.
Zudem unterstützen die Amerikaner aufgrund der politischen Stabilität und der Einfachheit halber die korrupten Regierungen in Kuwait und Saudi-Arabien, während weite Kreise der Bevölkerung unzufrieden sind. Die Unterstützung der Israelis ist zwar schon seit jeher gegeben, dennoch bringen all diese Faktoren zusammen diesen Haß zustande, den viele Araber und auch andere Teile der Weltbevölkerung den Amerikanern gegenüber hegen. Man bedenke einmal, daß wirklich von allen Seiten her zu hören ist, daß die Amerikaner ihre eigenen Interessen verteidigen, und das weltweit mit militärischen Mitteln. Ob ein solches Vorgehen heutzutage noch gerechtfertigt ist, wage ich zu bezweifeln.
 
Frage: Was macht Dir Sorge an der gegenwärtigen Entwicklung?
Die Amerikaner werden nicht klüger. Der Präsident ist ein Analphabet, der eine Art Strohmann für die im Hintergrund agierenden Politiker und Lobbies ist. Die willkürliche Entwicklung bezüglich der Außenpolitik der Amerikaner ist besorgniserregend: Sie ziehen sich aus der "Weltpolitik" zurück. Dann ein Terroranschlag und plötzlich engagieren sie sich im Nahostfriedenskonflikt.
Und wollen den Terrorismus bekämpfen. Und im Handstreich den Drogenmarkt schliessen. Mit dieser Hauruck-Mentalität ist nichts zu gewinnen, und von Kontinuität in der Politik ist nichts zu spüren. Das mag nicht schlimm sein, wenn es sich um ein kleines Land handelt, sind es aber die USA, dann haben diese Entscheidungen große Auswirkungen auf die gesamte Welt.
 
Frage: Hat der WTC-Anschlag Dein Leben verändert?
Nein. Er hat höchstens meine Amerika-kritische Haltung durch das Danach bestärkt und meine Sorge in Bezug auf die nächsten Jahre und Generationen verstärkt.
 
Frage: Deine wichtigste Erkenntnis?
Gewalt endet in Gewalt. Und Menschlichkeit sowie der Grundsatz der Nächstenliebe und Vergebung sind die einzigen Größen, die überdauern werden.